"In jedem Winkel - Schinkel"
Was die Potsdamer Nikolaikirche, Friedenskirche und Französische Kirche mit dem preußischen Baumeister zu tun haben



Der Kupferstich aus der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts zeigt die Potsdamer Nikolaikirche mit ihrer barocken Portalfassade, davor der Obelisk und rechts das Alte Rathaus, in dem heute das Potsdam Museum untergebracht ist.



Auf dem Foto ein Blick vom Hof des zerbombten Stadtschlosses auf die kriegsbeschädigte Nikolaikirche, die seit den 1950-er Jahren wieder aufgebaut wurde und dabei ihre eindrucksvolle Kuppel zurück erhielt.



Vor der sanierten und restaurierten Nikolaikirche erstreckt sich eine große, aktuell leer geräumte Fläche, auf der nach und nach die historische Randbebauung des Alten Markts rekonstruiert werden soll.



Die Apsis im Altarraum der Nikolaikirche ist mit Apostel- und Evangelistenfiguren geschmückt. Gegen die seit der Schinkelzeit bekanntermaßen schlechte Akustik wurden Maßnahmen ergriffen, so dass man heute besser als früher hören kann.



Friedrich Wilhelm IV. holte ein Stück Italien nach Potsdam, als er die Friedenskirche und seine Seitengebäude im Rundbogenstil und der Art eines Klosters am Rand des Parks von Sanssouci bauen ließ.



Außen und innen muss der Friedenskirche und verschiedenen Kunstwerken im Umgang geholfen werden. Die Schlösserstiftung schafft die Aufgabe nicht allein, sie braucht und bekommt Hilfe von außen.



Die Französische Kirche hat eine ovale Grundform, ihre flache Kuppel ist "freischwingend" gemauert. In den Nischen neben dem Eingang stehen zwei überlebensgroße allegorische Figuren des Bildhauers Friedrich Christian Glume, und zwar Caritas (Liebe, Wohltätigkeit) und Spes (Hoffnung). Foto aus der Vorkriegszeit zeigt, dass die Umgebung des Gotteshauses dicht bebaut ist. Heute stehen hier gesichtslose Neubauten.



Die Französische Kirche steht heute einsam am Rand des Bassinplatzes, die Ziegelbauten im Hintergrund schaffen einen Bezug zum Holländischen Viertel auf der anderen Seite der Freifläche. (Fotos/Repros: Caspar)

In Potsdam meint das Motto "In jedem Winkel - Schinkel", dass man überall auf Bauten des berühmten Architekten Karl Friedrich Schinkel trifft, der vor allem für den preußischen Hof tätig war. Trotz schmerzlicher Kriegsverluste und Abrisse nach 1945 hat er dort, in Berlin und dem Umland markante Spuren hinterlassen. Die nach Schinkels Plänen am Alten Markt von 1829 bis 1837 klassizistisch errichtete und danach mit einer mächtigen Kuppel geschmückte Nikolaikirche sah nicht immer so aus wie heute. Vorgängerbau war eine im 13. Jahrhundert errichtete Marienkirche, die 1721 bis 1724 von Philipp Gerlach durch ein dem Heiligen Nikolaus geweihtes Gotteshaus ersetzt wurde. Friedrich II. ließ dem eher bescheidenen Gotteshaus zwischen 1752 und 1755 durch Georg Wenzeslaus von Knobelsdorff eine aufwändig gestaltete Barockfassade vorblenden, die der Kirche Santa Maria Maggiore in Rom nachempfunden war und stilistisch mit dem wie eine italienische Piazza gestalteten Alten Markt harmonierte. Die Kirche brannte 1795 aus und wurde abgetragen. Die Ziegelsteine wurden auf Befehl König Friedrich Wilhelms II. für ein neues, am Kanal errichtetes Theater verwendet, das von den Potsdamern liebevoll Kanaloper genannt wurde.

Nach langwierigen Vorplanungen errichtete Ludwig Persius nach Plänen des 1841 verstorbenen Schinkel am alten Standort einen Nachfolgebau der ehemaligen Nikolaikirche mit einem dreieckigen Giebel, der 1837 geweiht wurde. Von Anfang an war auf Wunsch des baufreudigen Kronprinzen Friedrich Wilhelm (IV.) eine Kuppel geplant, die jedoch erst im Revolutionsjahr 1848 vollendet wurde. Die Gestaltung lag in den Händen von Persius und Friedrich August Stüler, hingegen wurde die mächtige Kuppel von der Berliner Lokomotiv- und Maschinenbauanstalt von August Borsig konstruiert. Schinkel hatte schon in den späten 1820er Jahren einen solchen Schmuck vorgesehen und zeichnete die Entwürfe. Doch strich Friedrich Wilhelm III. das Projekt aus Kostengründen, aber auch weil sich herausstellte, dass der Unterbau nicht stabil genug war, denn das Gemäuer zeigte Risse. Die Kirche hätte die aus einer schweren Holzkonstruktion bestehende Tambourkuppel kaum tragen können.

Borsig baute die Riesenkuppel

August Borsig verfügte mit Kuppeln über einige Erfahrungen, als ihn der Potsdamer Bauauftrag erreichte. Als junger Mann hatte er, damals noch in Breslau lernend, für entsprechende Konstruktionszeichnungen eine silberne Preismedaille erhalten. Im Unterschied zu dem Schinkel'schen Entwurf, der eine Holzkonstruktion mit Kupferblechverkleidung vorsah, schlugen Persius und Borsig eine Eisenkonstruktion vor. Das war in der Architektur neu, denn die Zeit der aus gusseisernen Elementen gebauten Bahnhöfe, Gewächshäuser, Glaspaläste und Markthallen hatte gerade erst begonnen. Persius plante eine Konstruktion aus Gusseisen statt aus Holz, welche "auch dem monumentalen Charakter des Gebäudes mehr entsprechen und damit dasselbe vollkommen feuersicher herzustellen sein würde." Das Argument überzeugte Friedrich Wilhelm IV., der natürlich wusste, dass der Vorgängerbau 1795 abgebrannt war.

Um 1850 war die über 13 000 Taler teure Kuppel vollendet. Aus Eisenrippen gefügt, war sie so perfekt, dass es später keine Beanstandungen mehr gab. Nach dem Bombenangriff auf Potsdam am 14. April 1945 allerdings lag auf dem Kirchendach nur noch ein trauriger Rest aus Eisenverstrebungen und grünem Kupferblech. Zwischen 1955 und 1959 erhielt die Nikolaikirche eine veränderte Kuppel aus einer Stahlkonstruktion mit kupferner Verkleidung zurück. Kommunistische Bilderstürmer, allen voran SED-Chef Walter Ulbricht, hatten sich nicht getraut, das Gotteshaus zu beseitigen, wie es bei den Ruinen des Potsdamer Stadtschlosses, der Garnisonkirche und vielen anderen durchaus wiederaufbaufähigen Bauten geschah.

In den vergangenen Jahren zeigen sich ernsthafte Schäden an der Kirchenfassade, deren beim Wiederaufbau verwendeter Zementputz in großen Stücken abgeplatzt und herunter gefallen war. Erneuert wurden der Nordost- und der Südostturm sowie die durch Abwitterung geschädigte Ost- und Nordseite der Kirche. Außerdem wurden die stark korrodierten Engel aus Zinkguss auf den Ecktürmen restauriert. Da sie nicht mehr fest in ihrer Verankerung standen, musste auch diese erneuert werden. Beteiligt an der Sanierung und Restaurierung der Kirche außen und innen war die Deutsche Stiftung Denkmalschutz, die vor allem aus privaten Spenden und durch die Fernsehlotterie Glücksspirale finanziert wird.

Kostbares Apsismosaik aus Murano bei Venedig

Die Potsdamer Friedenskirche ist eine dreischiffige Säulenbasilika ohne Querhaus mit einem 42 Meter hohen Glockenturm (Campanile). Als Vorlage für dieses Gotteshaus im Marlygarten am Rand des Parks von Sanssouci diente ein Kupferstich der Kirche San Clemente in Rom. Auf Wunsch und unter Beteiligung von Friedrich Wilhelm IV. wurde das Gotteshaus nach Plänen des Hofarchitekten Ludwig Persius im italienischen Rundbogenstil gebaut. Nach dessen Tod 1845 übernahmen Friedrich August Stüler, Ferdinand von Arnim und Ludwig Ferdinand Hesse die Weiterführung und Vollendung der Arbeiten. Der ganze Komplex ist oberitalienischen Klosterbauten nachempfunden. Ähnlich wie die Potsdamer Friedenskirche ist auch die Heilandskirche in Sacrow gestaltet.

Zu den besonderen Kostbarkeiten der Friedenskirche gehört das veneto-byzantinische Apsismosaik aus dem ersten Drittel des 13. Jahrhunderts. Die Darstellung des thronenden und segnenden Christus schmückte ursprünglich die zum Abbruch bestimmten Kirche San Cipriano auf der Insel Murano bei Venedig. Als Kronprinz ersteigerte Friedrich Wilhelm (IV.) das gerundete Wandbild für 385 Taler und ließ es auf dem Wasserweg nach Potsdam bringen. Dargestellt ist eine Fürbitte der zu Seiten von Jesus Christus stehenden Gottesmutter und Johannes des Täufers sowie weiter außen des Apostels Petrus und des Namenspatrons der Kirche San Cipriano, der im Jahr 258 den Märtyrertod starb. Die lateinische Inschrift des Mosaiks lautet in Luthers Übersetzung: "Herr, ich habe lieb die Stätte deines Hauses und den Ort, da deine Ehre wohnt."

Unter zwei Marmortafeln, die vor den Stufen zum Altarraum der seitlichen Gruftkapelle in den Boden eingelassen sind, fanden König Friedrich Wilhelm IV. und seine aus Bayern stammende Gemahlin Elisabeth ihre letzte Ruhe. Das Herz des am 2. Januar 1861 an den Spätfolgen eines Schlaganfalls verstorbenen Königs wird im Mausoleum des Schlosses Charlottenburg in Berlin aufbewahrt. Beide Sarkophage aus englischem Zinn tragen die gleichen Inschriften wie die Marmorplatten im Fußboden der Kapelle. Vor ihnen hält ein Engel aus Marmor Wache, die Replik eines in einer Kirche in Rom aufgestellten Engels.

Mausoleum für 99-Tage-Kaiser Friedrich III.

Auf der Nordseite der Friedenskirche wurde 1888/90 das Kaiser-Friedrich-Mausoleum hinzugefügt. Die Pläne stammen von Julius Carl Raschdorff, nach dessen Entwürfen auch der Berliner Dom im Stil der italienischen Hochrenaissance errichtet wurde. Im Mittelpunkt des Kuppelbaus steht die Replik des Marmorsarkophags für den 1888 nach nur 99-tägiger Regierungszeit verstorbenen Kaiser Friedrich III. Das ursprünglich hier aufgestellte und vom selben Bildhauer geschaffene Original ließ Kaiser Wilhelm II. 1905 in den Berliner Dom überführen. Daneben ruht die 1901 verstorbene Kaiserwitwe Victoria, deren ebenfalls von Begas geschaffener Sarkophag 1903 fertig gestellt wurde. Friedrich III. und die aus England stammende Kaiserin Victoria waren die Eltern des im Verlauf der Novemberrevolution 1918 entmachteten Kaisers Wilhelm II. In den Seitenwänden des Altarraums befinden sich die Sarkophage der früh verstorbenen Söhne des Kaiserpaars, die Prinzen Sigismund und Waldemar. Auf den Stufen zum Altar steht der schlichte Sarkophag des Soldatenkönigs Friedrich Wilhelm I., der ursprünglich in der Gruft der Potsdamer Garnisonkirche aufgestellt war. Der ebenfalls dort befindliche Sarg von Friedrich II. konnte erst 1991 nach langer Odyssee dem testamentarischen Wunsch dieses Monarchen folgend in der Gruft neben dem Schloss Sanssouci beigesetzt werden.

Niemand kann sagen, wie die Geschichte verlaufen wäre, wenn Kaiser Wilhelm I. schon früher das Zeitliche gesegnet hätte und seinem liberal denkenden Sohn Friedrich III. und seiner Gemahlin Victoria eine längere Regentschaft beschieden gewesen wäre. Zu Reichskanzler Otto von Bismarck in Opposition stehend, war Kronprinz Friedrich (III.) durch die lange Wartezeit auf den Thron zermürbt, allerdings konnte er sich als Förderer der Künste und Wissenschaften entfalten. Das heutige Berliner Bode-Museum, in dem auch das Münzkabinett untergebracht ist, wurde 1904 unter dem Namen Kaiser-Friedrich-Museum eröffnet.

Gotteshaus ähnlich dem Pantheon in Rom

Kehren wir zurück in die Potsdamer Innenstadt. Dort ließ Friedrich II. am Rand des heutigen Bassinplatzes für die französische Gemeinde eine Kirche erbauen (siehe S. 112). Der "Temple de Potsdam", wie das Gotteshaus auch genannt wird, ist ein Spätwerk des Architekten Georg Wenzeslaus von Knobelsdorff. 1752/53 für die allmählich wachsende französisch-reformierte Gemeinde in der Residenz- und Garnisonstadt errichtet, ist sie nach den starken Zerstörungen am Ende des Zweiten Weltkriegs die älteste weitgehend authentisch erhaltene Kirche in der historischen Innenstadt. Um die Kirche auf sumpfigem Untergrund bauen zu können, musste der Baugrund aufwändig gesichert werden. Eine Kalksteinschicht dicht unter der Erdoberfläche sollte verhindern, dass Feuchtigkeit in das Gebäude aufstieg. Nachdem Knobelsdorff 1753 gestorben war, leitete sein Kollege Jan Bouman die Ausführung des Bauwerks, für das antike Pantheon in Rom mit Kuppel und Portikus als Vorbild diente. Die katholische Hedwigskathedrale auf dem Bebelplatz in Berlin wurde nach dem gleichen Muster, jedoch viel aufwändiger, gebaut.

Nach der französisch-reformierten Gottesdienstordnung ist der Innenraum schmucklos gestaltet, vergleichbar mit der Französischen Kirche auf dem Berliner Gendarmenmarkt, der ebenfalls auf Bilder und üppigen Zierrat verzichtet. Eine umlaufende Holzempore verschafft dem Innenraum der Französischen Kirche die Anmutung eine Amphitheaters. Die Wände waren mit der im Barock beliebten Farbe Altrosa gefasst, das Gestühls war wahrscheinlich weiß gestrichen, und die Fenster waren farblos verglast. Während der napoleonischen Besatzungszeit von 1806 bis 1808 wurde die Kirche als Magazin der Kavallerie missbraucht und verwüstet. Karl Friedrich Schinkel wurde nach den Befreiungskriegen mit der Sanierung sowie der Umgestaltung des Innenraumes beauftragt. Der Baumeister fand das Gestühl angefault und wurmstichig vor, die Fenster waren zum Teil vernagelt, und der Ziegelboden war uneben. Während des Umbaues zwischen 1832 und 1834 behandelte Schinkel die künstlerische Arbeit seines Kollegen Knobelsdorffs mit großem Respekt. Den gewünschten Anbau einer Sakristei lehnte er ab, um den Baukörper nicht zu entstellen. So blieb der schlichte Gesamteindruck des Innenraumes weitgehend erhalten. Indem er eine Kanzelwand schuf, gab er dem Kirchenraum eine frontale Ausrichtung, außerdem wurde durch den Bau einer zweiten Empore die Zahl der Sitzplätze mehr als verdoppelt.

Vom Bombenangriff am 14. April 1945 verschont

Mehrfach musste die Französische Kirche wegen Schwammbefall und anderer Schäden über längere Zeit geschlossen und saniert werden. Bei Sanierungsarbeiten in der Kaiserzeit hat man das schlichte Erscheinungsbild durch Stuckkassetten und bunt bemalte Rosetten sowie eine farbige Fensterverglasung verändert. Beim Bombenangriff am 14. April 1945 wurde fast das ganze Französische Viertel zerstört, doch blieb wie durch ein Wunder die Französische Kirche nahezu unversehrt. Lediglich mussten die zerborstenen Fenster erneuert werden. Da aber in der Folgezeit notwendige Sicherungsmaßnahmen unterblieben, weil die kleine Gemeinde sie nicht finanzieren konnte und staatliche Mittel von der DDR-Regierung nicht zu bekommen waren, musste die Kirche Mitte der 1960er-Jahre wegen Baufälligkeit gesperrt.

Anlässlich der Dreihundertjahrfeier des vom Großen Kurfürsten Friedrich Wilhelm anno 1685 erlassenen Edikts von Potsdam wurde der Verfall des Gotteshauses gestoppt. Die Kuppel, die von Schinkel als "heikel" bezeichnet worden war, erhielt, weil sie gerissen war, eine Stahlbetonschale, und auch der Außenputz wurde saniert, doch war die Zeit für die Innensanierung noch nicht reif. Mit finanzieller Anschubhilfe einer Pressestiftung, durch private Spenden und öffentliche Fördergelder konnte die Französische Kirche nach 1990 innen nach und nach wieder hergestellt werden, so dass sie sich zur Freude der Gläubigen und anderer Besucher wieder in historischer Schönheit zeigt.

5. Juli 2019

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