Hommage an großen Renaissance-Maler
Sanierungsarbeiten bis 2030 am und im Orangerieschloss mit dem Raffaelsaal im Potsdamer Park von Sanssouci







Das Orangerieschloss auf einem Gemälde aus dem 19. Jahrhundert in der Ausstellung des Potsdam Museums sowie auf einem aktuellen Foto mit der Terrassenanlage aus der Zeit Kaiser Wilhelms II.



Vor der Orangerie spazieren vornehme Herrschaften, auf den Balustraden und in Nischen stehen Figuren, die auf die Jahreszeiten, den Gartenbau sowie Künste, Wissenschaften und Maschinenbau weisen.



Von Friedrich Wilhelm IV. gezeichnet, wurde der nur mit einem Oberlicht versehene Raffaelsaal des Orangerieschlosses gestaltet, eine besonders exquisite Hommage an den großen Renaissance-Maler Raffael und Ausdruck der Italiensehnsucht des königlichen Bauherrn.



Auf dem Foto kann man im Hintergrund die Kopie der "Sixtinischen Madonna" erkennen. Die Kopien wurden von Malern wie Carl Joseph Begas, Friedrich Bury, Heinrich Christoph Kolbe, Heinrich Lengerich, Julius Schoppe, Adolf Senff, Carl von Steuben, Karl Wilhelm Wach und anderen geschaffen. Im Todesjahr Friedrich Wilhelms IV. 1861 war die Sammlung mit den Kopien auf 46 Gemälde angewachsen, bis 1865 folgten vier weitere Bilder, darunter auch eine Kopie aus der Berliner Gemäldegalerie. Die Pracht des Raumes wird noch durch reichen Skulpturenschmuck und die rote Wandbespannung sowie das Gold der Bilderahmen gesteigert.



Auf der Postkarte sind astronomische Instrumente aufgestellt, die deutsche Truppen während des Boxeraufstands von Peking nach Potsdam verschleppt hatten.



Die Gästeappartements sind überaus üppig mit Möbeln, Gemälden und Skulpturen à la Regence, d. h. der Zeit nach dem Tod Ludwigs XIV. von Frankreich 1715, und im Stil des Zweiten Rokoko ausgestattet. (Fotos/Repros: Caspar)

Das von 1851 bis 1864 nach Ideen von Friedrich Wilhelm IV. sowie Bauplänen der Architekten Friedrich August Stüler und Ludwig Ferdinand Hesse errichtete Orangerieschloss im Park von Sanssouci ist ordentlich in die Jahre gekommen. Die Arbeiten zur Sanierung und Restaurierung des monumentalen Gebäudes mit zwei Türmen sowie seitlichen Pflanzenhallen gehen voran. Jetzt hat die Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg (SPSG) mit den Planungen für die weitere Instandsetzung des an italienische Villen des 16. Jahrhunderts erinnernden Gebäudes begonnen. Vor dem Mitteltrakt steht das Denkmal seines königlichen Erbauers Friedrich Wilhelm IV.

Vor dem ersten Sonderinvestitionsprogramm mit einem Volumen von 155,03 Millionen Euro war das stark sanierungsbedürftige Gebäude in seinem Bestand hochgradig gefährdet. In dieser ersten Phase des Masterplans wurden zwischen 2008 und 2018 bereits neun Millionen Euro für grundlegende Rettungsmaßnahmen aufgewendet. Die von heute bis 2030 geplanten Baumaßnahmen umfassen die Dach- und Fassadensanierung des gesamten Gebäudes. Außerdem soll der derzeit deponierte Skulpturenschmuck wieder auf die Dachbalustraden gestellt werden, so wie man sie auf historischen Darstellungen sieht. Darüber hinaus soll die technische Infrastruktur in den beiden Pflanzenhallen wesentlich verbessert werden. In der kalten Jahreszeit dienen sie der Überwinterung der empfindlichen Kübelpflanzen aus dem Park Sanssouci, während sie in den Sommermonaten für Veranstaltungen aller Art genutzt werden.

Arbeiten in der Pflanzenhalle

Finanziert wird das Projekt mit Mitteln aus dem zweiten Sonderinvestitionsprogramm für die preußischen Schlösser und Gärten, das der Bund, vertreten durch die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien, sowie die Länder Brandenburg und Berlin bis 2030 für die Rettung bedeutender Denkmäler der Berliner und Potsdamer Kulturlandschaft aufgelegt haben. Aus dem Budget von insgesamt 400 Millionen Euro stehen für die Sanierung und die technische Optimierung des Orangerieschlosses mehr als 22 Millionen Euro zur Verfügung.

Nach einer Mitteilung der Stiftung Preußische Schlösser Berlin-Brandenburg werden in der jetzt beginnenden Bauphase die Nordfassaden des Mittelbaus und der östlichen Pflanzenhalle sowie die Fassaden der beiden nördlichen Eckpavillons und der sich anschließenden Säulengänge saniert. Darüber hinaus bedürfen die Dächer der Nord-Pavillons und der östlichen Pflanzenhalle umfangreicher Reparaturmaßnahmen. Ferner wird die technische Infrastruktur der beiden Pflanzenhallen mit Blick auf ihre Nutzung für Konzerte und andere Veranstaltungen im Sommer optimiert. Zu diesem Zweck wird die bisher nur provisorisch installierte Elektrik und Beleuchtung denkmalgerecht eingebaut. Außerdem müssen die erforderlichen Brandschutzvorrichtungen auf den neuesten Stand gebracht werden.

Für die Nutzung der Pflanzenhallen während der Wintermonate ist eine adäquate Luftzirkulation nötig. Sie ist im Zuge der Dachsanierung eine besondere Herausforderung, da die anspruchsvollen Kübelpflanzen einer ausreichenden Luftfeuchtigkeit bedürfen, die sich aber nicht negativ auf die hölzerne Dachkonstruktion auswirken darf. Zudem muss das erhaltenswerte historische Heizsystem repariert werden. Im Nordost-Pavillon soll überdies ein neuer Entrée-Bereich entstehen. Neben einem bisher fehlenden Cateringbereich in der ehemaligen Schlossküche entsteht eine neue Serviceeinrichtung für die Besucherinnen und Besucher mit Garderobe und Toiletten.

Neu gestalteter Eingangsbereich

Gegenwärtig untersuchen Architekten, Ingenieure und Restauratoren den Bestand und entwickeln Raumkonzepte für den neuen Eingangsbereich. Die überaus prunkvoll gestalteten herrschaftlichen Appartements im Mittelteil des Orangerieschlosses zeigen Stilmerkmale des Zweiten Rokoko. Für fürstliche Gäste des preußischen Königs bestimmt, gelten das nach der Ausstattung und Möblierung benannte Elfenbeinzimmer, das Boullezimmer, das Grüne Schlafzimmer, das Lapislazulizimmer und das Malachitzimmer als interessante und seltene Zeugnisse für den Stilpluralismus in der höfischen Wohnkultur Mitte des 19. Jahrhunderts. Dass das Zarenpaar Nikolaus I. und Alexandra Feodorowne, geborene Prinzessin Charlotte von Preußen und Schwester des königlichen Bauherrn Friedrich Wilhelm IV., hier gewohnt hat, ist eine langlebige Legende. Bekannt sind lediglich Aufenthalte der Zarinwitwe Alexandra Feodorowna im Jahr 1859 sowie von König Karl I. von Rumänien 1883, von N?ser ad-D?n Sch?h von Persien 1889, König Umberto I. von Italien 1892 und des "Sühneprinzen" Chun II. Zaifeng, eines Bruders des Kaisers von China im September 1901 nach dem von deutschen und weiteren Truppen niedergeschlagenen Boxeraufstand in China.

Als Gesandter des chinesischen Kaisers musste Chun II. in unterwürfiger Weise bei dem vor ihm auf einem Thron sitzenden Kaiser Wilhelm II. im nahe gelegenen Neuen Palais Abbitte tun und Geschenke übergeben. Vor der Orangerie aufgestellte astronomische Instrumente aus Bronze waren nach der Niederschlagung des Boxeraufstandes von Peking nach Potsdam "verbracht" worden. Der jugendliche Prinz entledigte sich seiner unangenehmen Aufgabe nach Beobachtung von Teilnehmern in würdiger und formvollendeter Weise und erwarb sich in der deutschen Öffentlichkeit Respekt, der im Verlaufe seines Aufenthaltes in Deutschland in allgemeine Sympathie umschlug. Der Prinz wurde mit den seinem Range gemäßen Ehren behandelt, und der Kaiser stattete ihm sogar einen Höflichkeitsbesuch in der Orangerie ab, bevor er mit seinem Gefolge das Hotel Bellevue in Berlin bezog.

Mittel- und Höhepunkt des Orangerieschlosses ist der nach Vorgaben von Friedrich Wilhelm IV. gestaltete, sich über zwei Etagen erstreckende Raffaelsaal, der keine Fenster, aber dafür ein Oberlicht besitzt und die Sala Regia im Vatikan zum Vorbild hat. An den Wänden hängen als qualitätvoll bezeichnete Kopien von Gemälden des Renaissancemalers Raffael, die Maler im Auftrag von Friedrich Wilhelm III. in italienischen und deutschen Museen angefertigt hatten. Die etwa 50 Bilder entstanden in einer Zeit, als die italienische Malerei des frühen 16. Jahrhunderts eine besondere Hochschätzung erfuhren und viele Künstler zum Studium nach Italien zogen.

Kopie der Sixtinische Madonna im Raffaelsaal

Die Kopien stammen zum Teil aus der Bildersammlung Friedrich Wilhelms III., die durch weitere Ankäufe, Aufträge und Geschenke unter seinem Sohn Friedrich Wilhelm IV. erweitert wurde. Die von Friedrich Bury nach dem Dresdner Original kopierte Sixtinische Madonna war das erste Bild der Sammlung, das Friedrich Wilhelm III. 1804 von seiner Familie zum Geburtstag geschenkt bekam. Der König von Preußen, einer der Sieger der Befreiungskriege von 1813 bis 1815, sah die vom französischen Kaiser Napoleon I. in Italien und anderen Ländern geraubten Raffael-Gemälde im Pariser Louvre und hatte den Wunsch, von ihnen Kopien zur Ausstattung seiner Berliner Residenz zu besitzen. Die Nachbildungen galten zu ihrer Entstehungszeit als hochgeschätzter Ersatz für die kaum noch auf dem Kunstmarkt angebotenen Originale.

Die reich geschnitzten vergoldeten Rahmen sind zum Teil von Jakob Alberty nach der Originalfassung mit dem Gemälde kopiert. Zu sehen sind die Kopien der um 1516 gemalten, im Jahr durch Ankauf für die enorme Summe von 20 000 Zechinen/Dukaten nach Dresden gelangten Sixtinischen Madonna und weiterer Madonnenbilder. Man kann auch die Heilige Familien in stets neuer Fassung sowie Szenen aus der Bibel, aber auch ein Selbstbildnis des etwa 23 Jahre alten Raffael sowie weitere Porträts betrachten. Eine Besonderheit sind verkleinerte Kopien von Fresken in repräsentativen Räumen des Vatikans.

29. Juli 2019

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