DDR-Grenzer demolierten Gotteshaus
Die nach Plänen von König Friedrich Wilhelm IV. erbaute Sacrower Heilandskirche erlebte nach der Maueröffnung zweite Geburt



Mit großem finanziellem und personellem Aufwand konnte die Heilandskirche nach 1989/90 wieder in einen vorzeigbaren Zustand versetzt werden.



Der ewig zeichnende und planende König Friedrich Wilhelm IV. hatte ganz konkrete Vorstellungen und zeichnete sie auch auf, wie das Gotteshaus aussehen soll, dazu plante der Monarch eine Schule und das Haus des Predigers.



Das Bild aus der Zeit um 1845 zeigt, wie man die Heilandskirche per Ruderboot erreicht hat. Übel haben DDR-Grenzer in Sacrow der Heilandkirche mitgespielt. In den 1980-er Jahren notdürftig repariert, konnte die Sanierung und Restaurierung erst nach dem Mauerfall begonnen werden.



Da das von Carl Begas entworfene und von Adolf Eybel ausgeführte Apsisgemälde aus dem Jahr 1845 mit dem segnenden Heiland ein Fresko ist, hat es die schlechten Zeiten vergleichsweise gut überstanden.



Die Gedenktafel am Campanile erinnert an die Versuche für drahtlose Funkübertragung, links Blick durch den Arkadengang der Kirche.



So bot sich die Sacrower Heilandskirche Ende 1989 dar. Nachdem sie im Inneren ein wenig aufgeräumt war, konnte hier unter freudiger Teilnahme der Bevölkerung und von Politikern aus Ost und West der Heilige Abend gefeiert werden.



Das Schloss Sacrow sah die unterschiedlichsten Besitzer. 1773 von dem schwedischen Generalleutnant Johann Ludwig von Hordt erbaut, wurde es 1938 in den Wohn- und Dienstsitz des Generalforstmeisters und SS-Obergruppenführer Friedrich Alpers umgebaut, wobei es innen seine barocke Gestalt einbüßte. Es gibt hier ein Café, und es wird zu Kunstausstellungen und anderen Veranstaltungen eingeladen. (Fotos/Repros: Caspar)

Die DDR hielt sich stets zugute, dass sie das kulturelle Erbe hoch in Ehren hält. So weit ihr das in den politischen und ideologischen Kram passte, hat sich der vor 40 Jahren im Orkus der Geschichte verschwundene Arbeiter-und-Bauern-Staat daran gehalten und viel Geld, Arbeitskraft und Baumaterial in die Rettung, Sanierung und Restaurierung von Kriegsruinen sowie verwahrlosten Bau- und Kunstdenkmalen gesteckt. Wehe aber, die Bauten befanden sich im Fadenkreuz von Hardlinern im SED-Politbüro mit Walter Ulbricht und Erich Honecker an der Spitze. Dann wurden - Bürgerproteste hin, Warnungen vor außenpolitischem Imageverlust her - Befehle zur Sprengung mit dem Hinweis erteilt, man brauche das Geld und die Arbeitskräfte anderweitig. Ungeachtet von Einwänden wurden in der Ulbricht-Zeit allein in der "sozialistischen Bezirkshauptstadt Potsdam" die Kriegsruinen des Stadtschlosses (1960), der Garnisonkirche (1968), der Heilandkirche (1961 Umfassungsmauern, 1974 Turmstumpf) sowie einiger Barockbauten am Alten Markt, in der Breiten Straße und an anderen Orten abgerissen und zu Steinmehl zermahlen.

Ausgesprochen ruppig, um nicht zu sagen feindlich ging die DDR mit der Heilandskirche in dem zu Potsdam gehörenden Dorf Sacrow um. Die auf einer in die Havel reichenden Landzunge nach Zeichnungen von König Friedrich Wilhelm IV. und Plänen seines Architekten Ludwig Persius ab 1841 erbaute und 1844 eingeweihte Heilandskirche besteht aus dem eigentlichen Gotteshaus und einem Glockenturm (Campanile). Der "Romantiker auf dem Thron" hatte das Gut Sacrow im Oktober 1840 für 60.000 Taler erworben und es als Domäne an die Königliche Regierung in Potsdam überwiesen. Lange vor dem Kauf hatte er die Kirchenbauten für Sacrow skizziert. Für den Neubau nach italienischen Vorlagen schien ihm eine Bucht, auch Port genannt, gut geeignet, in der Havelfischer bei Sturm und Unwetter Schutz suchten. Für den hochreligiösen Monarchen besaß der Ort Symbolcharakter. Er sah in der Kirche ein "Bollwerk" gegen die Stürme des Lebens. Darauf weist das Kirchensiegel mit der lateinischen Umschrift "S. Ecclesiae sanctissimi Salvatoris in portu sacro" (Kirche des heilbringenden Erlösers im heiligen Hafen) hin.

Lennés Garten drumherum

Hofarchitekt Ludwig Persius und sein engster Mitarbeiter Ferdinand von Arnim setzten die vom König angefertigten Skizzen um. Die in das Wasser hineinragende Heilandskirche vermittelt tatsächlich den Eindruck eines vor Anker liegenden Schiffes am Ufer der Havel. Diese Bauweise, auf einem Pfahlrost aus Eichenstämmen gegründet, verschlang ein Drittel der Gesamtbaukosten von 45.234 Talern und 27 Silbergroschen. Der König kam des Öfteren mit seiner Familie auf kleinen Booten hinüber zum Gottesdienst. Die Kirche liegt rund einhundert Meter vom Sacrower Schloss entfernt und wird von einem Park umgeben, den der Gartenkünstler Peter Joseph Lenné in den 1840-er Jahren gestaltet hat. Die Heilandskirche ist Teil der Potsdamer Havellandschaft, die von der Pfaueninsel bis nach Werder reicht und mit ihren Schlössern und Gärten seit 1990 zum Weltkulturerbe der UNESCO gehört.

Wie Teile des Babelsberger Parks war in "Mauerzeiten" auch der Schlosspark von Sacrow zwischen Potsdam und dem West-Berliner Bezirk Spandau ein von DDR-Grenzern schwer bewachtes Gelände. Gemeindemitgliedern und dem Pfarrer wurde der Zugang verweigert. Offenbar hatten die gelangweilten Bewacher kein Problem, als sie die Inneneinrichtung und den Außenbau zerstörten. Vielleicht hat sie niemand aufgeklärt, welche Bewandtnis es mit dem direkt an der Havel gelegenen Gotteshaus hat und dass es Respekt und Pflege verdient. Jedenfalls bot sich den ersten Besuchern nach der Grenzöffnung ein Bild der Verwüstung. Dem Pfarrer Joachim Strauss wurde gleich nach dem letzten Weihnachtsgottesdienst 1961 lapidar mitgeteilt, das Innere der Kirche sei "von unbekannter Hand zertrümmert" worden, weshalb eine weitere Nutzung nicht mehr möglich sei. Damit hatte die DDR einen Grund geschaffen, dass niemand außer ihren Grenzsoldaten die Kirche betreten konnte.

Von West-Berliner Seiten waren die sich langsam mehreren Bauschäden gut zu erkennen, und es gab in der dortigen Presse kritische Berichte über den brutalen Umgang der DDR mit ihrem kulturellen Erbe. Bei Begehungen unter den wachsamen Augen schwer bewaffneter Grenzsoldaten notierte ein Bausachverständiger 1981 allerschlimmste Schäden. Durch das löcherige Zinkdach regnete es in die Kirche, Unkraut und Baubewuchs breiteten sich überall aus und ließen das Schlimmste befürchten. Der Echte Hausschwamm tat sein zerstörerisches Werk, das Kirchengestühl, die hölzernen Wandpaneele und der Holzfußboden befanden sich in einem erbärmlichen Zustand. Um die Kirche nicht ganz verfallen zu lassen und sich damit gegen über dem Westen als kulturlos und geschichtsvergessen zu outen, wurden erste Reparaturmaßnahmen erlaubt, obwohl das Gotteshaus weder vom Osten noch vom Westen aus betreten werden konnte. Um sich aus dem Dilemma zu befreien, soll Staats- und Parteichef Erich Honecker angeboten haben, es dem Westen zu "schenken", womit er aller Fürsorgepflichten ledig gewesen wäre.

Funkverbindung zur Matrosenstation

Die zur Reparatur der Kirche eingesetzten Handwerker kamen aus dem Osten und waren handverlesen und mussten ihr Werk unter den Augen der Grenzer verrichten. Sie taten das so gut, wie es die in der DDR herrschende Mangelwirtschaft zuließ. Erst nach der Öffnung der Grenze war für Zivilisten ein Herankommen möglich, und es wurden die immensen Schäden an dem aus der Zeit Friedrich Wilhelms IV. stammenden Bau- und Kunstensemble offenbar. Sie sind inzwischen behoben, und auch der Park erhielt seine historische Gestalt zurück.

Am Glockenturm der Heilandkirche macht eine Relieftafel von Hermann Hosaeus aus dem Jahr 1928 auf wichtige naturwissenschaftliche Experimente in der Kaiserzeit aufmerksam. Ein Mann mit Lendenschurz hält über seinem Kopf den Erdball, aus dem Blitze schießen. Aufklärung über die allegorischen Darstellung gibt die Inschrift "An dieser Stätte errichteten Prof. Adolf Slaby und Graf von Arco die erste deutsche Antennenanlage für drahtlosen Verkehr". Adolf Slaby und Georg Graf von Arco hatten im Sommer 1897 im Turm des der Friedenskirche im Park von Sanssouci nicht unähnlichen Gotteshauses elektroakustische Versuche angestellt und Funkkontakt zur kaiserlichen Matrosenstation auf der anderen Seite des Jungfernsees hergestellt. Mit den erfolgreich verlaufenden Experimenten wurde eine wesentliche Voraussetzung für den Rundfunk geschaffen. Natürlich hatten die Versuche auch eine wichtige militärische Komponente.

20. Mai 2019

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