Bildhauer im Wartestand
Schadow Gesellschaft Berlin e.V. brachte Bild-Text-Band über Arbeiten des Künstlers für das Schloss heraus und möchte seine Reliefs im Humboldt Forum ausstellen





Gewiss sähe es Johann Gottfried Schadow gern, wenn die in seinem früheren Wohnhaus präsentierten Reliefs aus dem Parolesaal des Berliner Schlosses im neu erbauten Humboldt Forum gezeigt würden.



Weithin sichtbar ist die Schlosskuppel, die gerade mit Kupferblech belegt wird. Ob Schadows Reliefs im Humboldt Forum ausgestellt werden, wird sich zeigen. Die Schadow Gesellschaft Berlin e. V. gibt die Hoffnmung nicht auf.



Mit viel Mühe und Umsicht wurden die Reliefs der schreibenden Viktorien aus dem Parolesaal im Berliner Schloss restauriert, abgegossen und eingerahmt.



Die römischen Fahnenträger, auch Signiferi genannt, sind dunkel gefärbte Stuckreliefs, die Schadow 1788 als Türeinfassungen für den Parolesaal in den Königskammern des Berliner Stadtschlosses geschaffen hat. Die Kopien entstanden 2017/18 nach Gipsabgüssen, die um 1909 hergestellt wurden.



Andreas Kaernbach berichtete in der Feierstunde unter anderem, wer von den Größen seiner Zeit bei Schadow zu Gast war, und teilte mit, dass das Wohn- und Atelierhaus des berühmten Bildhauers und Grafikers wieder einen Garten ähnlich dem zu seinen Lebzeiten zurückbekommen soll.



Der Kunsthistoriker Bernd Wolfgang Lindemann fügte in seinem Vortrag dem Bild, das wir und von Johann Gottfried Schadow machen, neue und interessante Lichter hinzu.



Wilhelm von Boddien (links), das Ehepaar Bärbel und Klaus Gehrmann und weitere Gäste der Buchpräsentation setzen sich dafür ein, dass die Reliefs des Bildhauers eines Tages doch noch im Humboldt Forum gezeigt werden können. (Fotos: Caspar)

Im Spätsommer 2020 soll das Humboldt Forum im Berliner Schloss mit der von Andreas Schlüter und anderen Meistern des Barock geschaffenen Fassade und den beiden historischen Innenhöfen eröffnet werden. Die Arbeiten außen und innen laufen auf Hochtouren, aktuell kann man zusehen, wie die Kuppel mit Kupferblech belegt wird. Derweil werden Exponate aus den außereuropäischen Sammlungen der Stiftung Preußischer Kulturbesitz in Dahlem sowie der Stiftung Stadtmuseum Berlin und der Humboldt-Universität im Neubau mit der prächtigen Barockfassade aufgestellt. Die Schadow Gesellschaft Berlin e. V. hat 2015 Zeit angeboten, im Humboldt Forum vier von dem berühmten Bildhauer und Grafiker Johann Gottfried Schadow geschaffene Stuckreliefs aus dem Parolesaal der Königskammern im früheren Berliner Schloss zu präsentieren. Sie will damit an die bedeutenden, durch Kriegszerstörung und Abriss von 1950/51 verloren gegangene beziehungsweise geborgenen Kunstwerke von Schadows Hand für die Hohenzollernresidenz erinnern und ihn öffentlich und publikumswirksam als großen deutschen und internationalen Bildhauer ehren.

Nach langen Diskussionen mit Kunsthistorikern legten sich Vorstand und Kuratorium des Vereins auf Arbeiten des jungen Schadow von 1787/ 1789 für den Parolesaal des Berliner Schlosses fest. Konkret geht es um zwei Supraportenreliefs schreibender Viktorien sowie zwei links und rechts einer Tür angebrachte Fahnenträger. "Fünf Jahre haben Mitglieder der Schadow-Gesellschaft für diese Idee gekämpft, sie haben korrespondiert und mit zuständigen Personen gesprochen. Doch leider waren alle Mühen umsonst, denn die für die Geschichte der ehemaligen Hohenzollernresidenz so wichtigen Kunstwerke wurden abgelehnt, hoffen aber auf bessere Zeiten", sagte am 12. Dezember 2019 Klaus Gehrmann, der Geschäftsführer der Schadow Gesellschaft Berlin, bei der Präsentation des neuen Buches "Etablirt im Schlosse? Johann Gottfried Schadow im Berliner Schloss Humboldt-Forum" im früheren Wohnhaus des Künstlers an der Schadowstraße 10, nicht weit vom Brandenburger Tor entfernt.

Alles begann gut und hoffnungsvoll

Dr. Andreas Kaernbach, Kurator der Kunstsammlungen des Deutschen Bundestages und Hausherr des Schadowhauses, stellte dem Verein einen Ausstellungsraum mit den jenen Reliefs und weiteren Kunstwerken für die mit Gitarrenklängen umrahmte Feierstunde zur Verfügung. "Vielleicht erreichen wir mit diesem Band XVIIII noch mehr Aufmerksamkeit und ein Umdenken bei den Verantwortlichen im Humboldt Forum, was die vier Reliefs betrifft", sagte Klaus Gehrmann und dankte den vielen Sponsoren, den Mitgliedern der Schadow Gesellschaft und ihren Freunden und Sympathisanten, die rund 35.000 Euro für die Restaurierung der Reliefs und die Herstellung von zwei Gipsumrandungen sowie für Transport, Aufstellung und nicht zuletzt für die Erstellung des neuen Buches gesammelt haben. Im Museumsshop des Humboldt Forums soll es im kommenden Jahr zum Kauf angeboten werden.

Zunächst hatte es Mitte 2015 ausgesehen, dass die Reliefs in Humboldt Forum kommen. Dessen damaliger Vorstand Manfred Rettig war laut Gehrmann von dem Vorschlag begeistert. "Er zeigte uns im Humboldt Forum Möglichkeiten, wo die Reliefs mit guter Außenwirkung angebracht werden könnten. Davon beflügelt, machten wir uns an die Suche nach den Überresten der Werke Schadows nach der Schlosssprengung im Jahre 1951. Eine der Viktorien fanden wir in der Staatlichen Gipsformerei Berlin, die andere und zwei Fahnenträger entdeckten wir im Depot der Alten Nationalgalerie Berlin, leicht beschädigt und zum Teil mit Farbresten bedeckt. Diverse Gespräche wurden geführt, um Abgüsse in der Berliner Gipsformerei fertigen zu können. Wir fanden in Kai Rötger einen anerkannten Restaurator, der alle Abformarbeiten von den kostbaren, historischen Bildwerken aus Gips begleitete und sie nun in dem neuen Buch beschreibt."

Rückzieher im Humboldt Forum

Dann aber machte der neue Vorstand des Humboldt Forums vor zwei Jahren einen Rückzieher. Er lehnte das so erfreulich begonnene Projekt kategorisch mit der Begründung ab, Kopien würden nicht in das Berliner Schloss beziehungsweise Humboldt Forum passen. Sie behaupteten das im Wissen, dass 1951 fast alles zerstört wurde und heute nahezu der ganze Skulpturenschmuck außen und innen aus Nachbildungen besteht. "Jetzt hängen die vier Reliefs vorläufig im Schadowhaus und erfreuen die Besucher. Aber unser Ziel bleibt bestehen: Irgendwann wollen wir mit den Viktorien und den Fahnenträgern im Humboldt Forum Johann Gottfried Schadow ehren, der mehr war als Schöpfer der Prinzesinnengruppe und der Quadriga auf dem Brandenburger Tor und dessen Werke an verschiedenen Stellen in Berlin nicht gerade günstig und gut sichtbar verwahrt werden. Auf diese Weise wollen wir an einen großen Berliner Künstler von europäischem Rang zu erinnern. Dazu hat der Kunsthistoriker Bernd Wolfgang Lindemann in unserem Buch einen mit manch neuen Erkenntnissen und ungewohnten Blickwinkeln versehenen Beitrag veröffentlicht", sagte Klaus Gehrmann. Der Geschäftsführer der Schadow-Gesellschaft weiß sich eins mit vielen Kunst- und Geschichtsfreunden in dem Wunsch, dass die Reliefs im Humboldt Forum am besten aufgehoben sind. Dem stimmt auch Wilhelm von Boddien zu, der an der Buchpräsentation teilnahm. Der Spiritus rector und seit dem Ende der DDR unbeirrte Kämpfer für den Schlosswiederaufbau wünscht sich, dass eines Tages auch die barocke Gigantentreppe hinter dem Portal VI rekonstruiert wird. Bilder, Dokumente sowie Skulpturenreste könnten ähnlich wie bei der Wiederherstellung der barocken Schlossfassade und der Innenhöfe für diesen Zweck gut genutzt werden.

Der Titel des nunmehr 18. Bandes der im Jahr 2000 begonnenen Schriftenreihe der Schadow Gesellschaft lehnt sich an eine Bemerkung von Schadow in einem Brief vom 24. Januar 1847 an seine in Dresden lebende Tochter Lida Bendemann, geb. Schadow, an. Darin schildert der Bildhauer in angenehmem Plauderton, wie Dr. Claudia Czok, die Vorsitzende der Schadow-Gesellschaft in ihrem mit vielen neuen Erkenntnissen versehenen Kommentar schreibt, Ereignisse und Gestalten seiner Zeit in Berlin, und erwähnt, wer bei ihm zu Gast war und was es zu essen gab. Zu Beginn liest man den Hinweis "Herr Biow aus Hamburg, mit Apparat etablirt im Schloss." Das ist für die Autorin das Stichwort für Überlegungen darüber, warum sich der hochbetagte Schadow im Rittersaal des Schloss fotografieren ließ und was aus den Aufnahmen wurde. Während sich Schadow zum "Typiren" bereit machte, verschob König Friedrich Wilhelm IV. seinen Termin mit dem damals berühmten Fotografen noch. Die Aufnahmen zeigen einen alt gewordenen Monarchen am Vorabend der Revolution von 1848/49, die das preußische Königtum ins Wanken, aber nicht zum Einsturz brachte.

Schloss als Metropole in der Metropole

Die großzügig illustrierte Publikation wird mit Grußworten von Hartmut Dorgerloh, dem Generalintendanten der Stiftung Humboldt Forum, und Andreas Kaernbach eingeleitet. In ihnen wird neben der Bedeutung des Schlosses und des Humboldt Forums für Berlin und seine Gäste der Beitrag des Hofbildhauers Schadow für die Ausgestaltung der von Friedrich Wilhelm II. bewohnten Königskammern wird und seine Rolle inmitten der Berliner Künstlerschaft vor und nach 1800 gewürdigt. In seinem Vortrag und seinem Beitrag im 18. Band der Schriftenreihe der Schadow-Gesellschaft betonte Bernd Wolfgang Lindemann, der frühere Kustos an der Gemäldegalerie der Staatlichen Museen Preußischer Kulturbesitz, das Berliner Stadtschloss sei eine Metropole in der Metropole. Im späten Mittelalter begonnen und von namhaften Künstlern gestaltet, wurde es niemals fertig, und so sei es mit dem Humboldt Forum. Sein Wiederaufbau sei eine notwendige Retusche im Gesicht der Stadt. Bei gutem Willen ließen sich die seinerzeit vom jungen, überaus innovativen Schadow gestalteten Räume wiederherstellen, ebenso die barocke Gigantentreppe. Was das Schloss war und was es speziell Schadow verdanken hat, welche künstlerischen Verbindungen er nach Italien und England unterhielt und wie sich der Künstler den vorhandenen Räumlichkeiten und den Wünschen seines königlichen Auftraggebers anpassen musste, ist eine spannende Lektüre, die hier zusammen mit weiteren Beiträgen wohlwollend empfohlen wird.

13. Dezember 2019

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