Maler wurde Preußens Stararchitekt
Was Berlin Karl Friedrich Schinkel verdankt und warum sein übervolles Arbeitspensum Gift für ihn war



Das Doppelporträt von Schinkel und seine Frau Susanne entstand 1815, als der vielbeschäftigte Baubeamte eine Karriere als Baumeister, Designer und Bühnenbildner startete.



Ursprünglich standen in der mit Wandgemälden geschmückten Vorhalle des Alten Museums Standbilder bedeutender Künstler und Gelehrter des 18. und 19. Jahrhunderts. Unter ihnen waren Schinkel, Schadow und Rauch sowie Schlüter, Winckelmann und andere. Den Denkmälern aus Marmor und weiteren hochkarätigen Zeugnissen der Berliner Bildhauerkunst vor und nach 1800 wurden während der 1980er Jahre neue Plätze in der von Schinkel erbauten Friedrichswerderschen Kirche zugewiesen. Doch mussten sie im Zusammenhang mit Bauschäden an der Kirche entfernt und an anderen Orten in Berlin neu aufgestellt werden.



Die Aufnahme der Friedrichswerderschen Kirche ist von 2016, bevor sie durch Neubauten zugestellt wurde, im Vordergrund das Denkmal des Baumeisters auf dem Schinkelplatz, links eine Installation, die die Bauakademie aufmerksam macht.









Zu den markanten Schinkelbauten in Berlin gehören die Neue Wache Unter den Linden, das Schauspielhaus auf dem Gendarmenmarkt, das jetzt Konzerthaus heißt, der Schinkelpavillon neben dem Schloss Charlottenburg und die Elisabethkirche an der Invalidenstraße.



Schinkels Grab ist auf dem Dorotheenstädtischen Friedhof an der Chausseestraße in Berlin neben dem anderer prominenter Künstler, Gelehrter und Politiker erhalten. Die Widmung auf der Rückseite des mit dem vergoldeten Medaillon des Meisters Gedenksteins lautet "Was vom Himmel stammt was uns zum Himmel erhebet ist für den Tod zu groß ist für die Erde zu rein."







Von den zahlreichen Entwürfen (oben für Mozarts "Zauberflöte") sind manche erhalten, darunter eine Simulation des U-Bahnhofs Museumsinsel, von dessen dunkelblauer Decke irgendwann "Schinkelsterne" strahlen werden. (Fotos/Repro: Caspar)

Berlin hat dem preußischen Baumeister, Stadtplaner und Designer viel zu verdanken. Von den renommierten Berliner Architekten Friedrich Gilly senior und Friedrich Gilly junior ausgebildet und zunächst als Maler tätig, war der vielseitige Künstler als Geheimer Oberbaurat und Oberlandesbaudirektor vor allem für den preußischen Staat und die königliche Familie tätig. Dass er sich so glänzend entfalten konnte, liegt sicher auch an der Förderung, die ihm vor allem durch den Kronprinzen Friedrich Wilhelm, ab 1840 König Friedrich Wilhelm IV., zuteil wurde. Zwischen beiden gab es eine Seelenverwandtschaft, denn der Hohenzoller fühlte sich selber zum Architekten berufen und sorgte dafür, dass Schinkel und andere Künstler volle Auftragsbücher erhielten.

Schinkels Werk, in dem der Klassizismus zur Blüte gebracht, aber auch die Gotik als Baustil wiederentdeckt wurde, ist umfangreich und vielgestaltig. Viele Werke gingen im Zweiten Weltkrieg unter, so etwa Palais preußischer Prinzen in der Wilhelmstraße, oder das Kasino in Potsdam. Unwiederbringlich zerstört sind auch Räumlichkeiten, die Schinkel für die Hohenzollern im Berliner Stadtschloss gestaltet hat. Wie seiner im neu erbauten, als Museum der außereuropäischen Kulturen genutzten Humboldt Forum gedacht wird, ist bisher unbekannt. Aber wie zu hören ist, wird es im wieder aufgebauten Berliner Stadtschloss eine "Abteilung" geben, in der auch dessen Baugeschichte dokumentiert wird, und so ist zu hoffen, dass Andreas Schlüter, Georg Wenzeslaus von Knobelsdorff, Johann Gottfried Schadow, Karl Friedrich Schinkel, Ernst von Ihne und andere Architekten, Bildhauer und Maler angemessen gewürdigt werden.

Gerettete Neue Wache und Elisabethkirche

Berühme Schinkelbauten in der Mitte der Stadt sind die Neue Wache und das Schauspielhaus am Gendarmenmarkt, heute bekannt auch als Konzerthaus, das Kronprinzenpalais, die Singakademie und das Alte Museum auf dem Lustgarten. Hinzu kommen die klassizistische Elisabethkirche und die der Neogotik verpflichtete Friedrichswerdersche Kirche, die Schlossbrücke mit acht überlebensgroßen Marmorgruppen als Hommage an die Helden der Befreiungskriege und das aus gleichem Anlass errichtete Kreuzbergdenkmal, ferner das klassizistische Humboldt-Schlösschen in Tegel, das von Gentz erbaute und von Schinkel veränderte Königsmausoleum sowie der Schinkel-Pavillon im Park Charlottenburg, und nicht zuletzt das Schloss Glienicke und weitere Bauten im Park des Prinzen Carl von Preußen und das für den Prinzen Wilhelm (ab 1861 König und ab 1871 Kaiser Wilhelm I.) erbaute Schloss Babelsberg, das nach Schinkels Tod 1841 von seinen Nachfolgern Ludwig Persius und Johann Heinrich Strack vollendet wurde.

Verloren gegangen wäre fast Schinkels im klassizistischen Stil erbaute Elisabethkirche an der Invalidenstraße. Erst in den vergangenen Jahren konnte die Kriegsruine gerettet und in einen Veranstaltungsraum umgewandelt werden. Nach dem Zweiten Weltkrieg stand auch ein anderes Schinkel-Werk, die Neue Wache Unter den Linden, auf der Kippe. Der in der späten Weimarer Zeit als Reichsehrenmal genutzte und von Hitler für monströse Heldengedenkfeiern missbrauchte tempelartige Bau sollte nach dem Wunsch kommunistischer Bilderstürmer der Spitzhacke zum Opfer fallen. Zum Glück wurde das verhindert. Die schwer beschädigte Wache wurde 1951 bis 1957 aufgebaut und in ein Mahnmal für die Opfer des Faschismus und des Krieges umgewandelt. Mit neuem Inhalt und Aufgaben ist sie seit 1993 zentrale Gedenkstätte der Bundesrepublik Deutschland für die Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft.

Bauakademie lässt auf sich warten

Zwar oft angekündigt und versprochen, ist Schinkels Bauakademie immer noch nicht aufgebaut. Das Backsteinhaus am Schinkelplatz nicht weit von der Schlossbrücke und der Straße Unter den Linden sollte nach dem Krieg aus Ruinen auferstehen. Alle Vorbereitungen waren schon getroffen, doch dann musste der "rote Kasten", wie die Berliner despektierlich zu Schinkels Arbeits-, Wohn- und - im Jahre 1841 - Sterbeort sagten, dem riesigen DDR-Außenministerium weichen. Seit dessen Abriss 1995 und 1996 wird vergeblich für den originalgetreuen Wiederaufbau geworben. Der Ort bietet ein Bild des Jammers.

Dass sich Schinkel wie sein Kollege Georg Wenzeslaus von Knobelsdorff, der hundert Jahre zuvor wie er als Maler begann, zu ungekannten künstlerischen Höhen aufschwingen und seine vielen Talente voll zur Geltung bringen konnte, hängt mit der Huld und Förderung zusammen, die ihm das preußische Königshaus gewährte. Allerdings gab es "Höhenunterschiede" in den Beziehungen zwischen ihm und den Hohenzollern, denn er war nur Baubeamter, der König und seine Familie hingegen waren Auftrageber und konnten ihm jederzeit ihre Huld entziehen. Indem der talentierte Maler und Architekt den hohen Herrschaften seine Bilder und Ideen zu Füßen legte, erregte er ihre Aufmerksamkeit und erhielt interessante Aufträge erst zur Ausgestaltung königlicher Wohn- und Repräsentationsräume, dann aber auch für Staatsbauten. Aus dem Freiberufler wurde ein fest angestellter Staatsbeamter, der über ein Heer von Mitarbeitern verfügte. Durch und durch pflichtbewusster Beamter, hat sich Schinkel wenig geschont. Sein Arbeitsstil war geradezu "Gift für die Gesundheit". Stets behielt er bei seinen Projekten die Kontrolle, Arbeit hat er ungern an andere delegiert. So kam es, wie es kommen musste. Erschöpfungszustände stellten sich ein, Lähmungserscheinungen und 1840 ein schwerer Schlaganfall, dem der immer so agile Künstler und Staatsbeamte, dem ein tadelloses Familienleben nachgesagt wird, ein Jahr später gerade einmal 60jährig erlag.

Designer, Denkmalpfleger und Theaterausstatter

Karl Friedrich Schinkel war weitaus mehr als Preußens oberster Baumeister und Stadtplaner. Er glänzte auch als Designer und Kunstgewerbler, Denkmalpfleger und zeitweilig sogar als überaus erfolgreicher Bühnenbildner. In Berliner Sammlungen sind 136 Entwürfe für 28 Opern und Schauspielen erhalten. zu dokumentieren. Ihre Bedeutung für das Gesamtschaffen des Chefs der Oberbaudeputation und Professors an der Akademie der Künste in Berlin wurde lange nicht erkannt. Dieses Manko wurde in den vergangenen Jahren durch spezielle Publikationen behoben. Schon in jungen Jahren hatte Schinkel großes Faible für das Theater und die Oper. Rückblickend erinnerte er sich 1813, bereits im preußischen Kunstbetrieb etabliert und mit Aufträgen überhäuft, an seine früh entwickelte "Neigung für Baukunst und Landschaftsmahlerei", die ihn "zur Bearbeitung mehrerer Gegenstände in der Theatermahlerei" veranlasst habe. "Es würde mich sehr glücklich machen, wenn ich zum Vergnügen und zur Bildung des Publikums in diesem Zweige das Meinige beitragen könnte, besonders da mir scheint, daß darin noch manches geleistet werden kann", lautet der recht selbstbewusst formulierte Kernsatz eines Bewerbungsschreibens an die "hochlöbliche Theaterkommission" in Berlin. Darin erklärt er, die Arbeit unentgeltlich ausführen zu wollen, lediglich müssten Unkosten und Löhne für Gehilfen von der Theaterkasse übernommen werden.

Der Berliner Theaterdirektor August Wilhelm Iffland und nach ihm der Generalintendant Graf Brühl ergriffen gern die ihnen gebotene Hand, wissend dass es in den Künsten kein Monopol gibt und die Pflicht besteht, "dem Talent Bahn zu brechen, wo es thunlich ist", wie es Iffland formulierte. Dass die Entwürfe praktisch für umsonst zu haben waren, machte sie sicher besonders attraktiv, musste man doch unterm knauserigen König Friedrich Wilhelm III. jeden "Kulturdreier" zweimal umdrehen. Berühmte Aufführungen in der Königlichen Oper Unter den Linden und im Schauspielhaus am Gendarmenmarkt von Werken von Mozart, Gluck, Spontini und E. T. A. Hoffmann sowie von Goethe, Schiller und Kleist wurden durch Schinkelsche Bühnenbilder dekoriert und aufgewertet. Dazu kommen auch phantasievollen Entwürfe für Werke, die inzwischen vergessen sind. Wer sich mit ihnen befasst, lernt einen nachdenklichen, nimmermüden und überaus phantasievollen Künstler schätzen.

Sternenhimmel in neuem U-Bahnhof Museumsinsel

Bei Schinkel flossen Kenntnisse und Erfahrungen als Maler und Architekt zusammen. Ihm kamen die Beschäftigung mit dem Theaterbau und Dekorationswesen zugute. Schließlich war er ja auch selber Schöpfer des Berliner Schauspielhauses, für das er dann auch die passenden Dekorationen lieferte. Der Künstler ließ nicht nur seine Phantasie walten, geleitet selbstverständlich vom Inhalt des jeweiligen Stücks, sondern betrieb intensive Quellenstudien, bevor er sich an die eigentlichen Entwürfe setzte. Etliche Bühnenbilder fanden durch Reproduktionsstiche Verbreitung und dürften damit auch andere Theater beeinflusst haben. Die Grafiken sind wichtige Quellen, da nicht alle Bühnenbilder im Original erhalten sind. Wie Zeitungsberichte, Dokumente und auch Äußerungen berühmter Zeitgenossen wie Goethe, Kugler und Waagen zeigen, hat man sehr wohl die eigenständige künstlerische Bedeutung der Theaterdekorationen zu schätzen wusste. Dass sie noch lange nach Schinkels frühem Tod verwendet wurden, gehört zum intensiven Nachwirken dieser interessanten Facette seines künstlerischen Wirkens. Doch ging die Entwicklung des Theaterwesens irgendwann über den Baumeister hinweg, denn schon um 1900 wusste man mit den Bühnenbildern nicht mehr viel anzufangen. Übrigens kommt das Sternenmotiv auf tiefblauem Grund von Schinkels Entwurf für Mozarts seinerzeit in Berlin gespielte Oper "Zauberflöte" in dem noch im Bau befindlichen Bahnhof "Museumsinsel" der U-Bahn 55 zu neuen Ehren, was auch als späte Hommage an Karl Friedrich Schinkel, den grandiosen Bühnenbildner, sehr zu begrüßen ist.

5. Oktober 2019

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