Des Kaisers letzte Rache
Der Streit um Schlösser und Kunstschätzer zwischen der Familie Hohenzollern und dem Staat geht in die nächste Runde



Als diese Postkarte angefertigt wurde, konnten sich Hohenzollern noch kaiserlichen und königlichen Glanzes erfreuen. Heute laufen die Nachfahren Wilhelms II. nicht mehr in Uniformen und mit blitzenden Orden herum, sondern bestenfalls bei Feierlichkeiten im Frack. Doch sie fühlen sich als etwas Besonderes und werden von einem Teil der Öffentlichkeit unterwürfig als "Königliche Hoheiten" hofiert, als habe es vor hundert Jahren keinen Machtwechsel gegeben.



Die Karikatur zum 25-jährigen Thronjubiläum 1913 zeigt Wilhelm II., wie er von seinen Untertanen bejubelt und beschenkt wird, doch wen man genauer hinschaut, sieht man, worauf seine Macht und der Glanz des Deutschen Reichs beruht und wer dem Kaiser als willige Helfer dient und als Schmarotzer profitiert. Kein Wunder, dass viele Deutsche 1926 der Fürstenenteignung nicht zustimmten.



Sollten Preziosen wie das Silberbüfett, der frühklassizistische Roentgenschrank und die silberne Prunkterrine (von rechts nach links) aus den Kunstgewerbemuseen im Schloss Köpenick und am Berliner Kulturforum sowie im Schinkelpavillon an die Hohenzollern zurückfallen, müssten sich die Preußische Schlösserstiftung und die Staatlichen Museen um Ersatz kümmern oder die Stücke zurück kaufen, was in beiden Fällen unendlich schwer fallen dürfte.



Ob auch das im Schloss Charlottenburg ausgestellte, von preußischen Städten dem Kronprinzenpaar Wilhelm und Cecilie anlässlich ihre Hochzeit dedizierte Kronprinzensilber auf der hohenzollernschen Forderungsliste steht, ist im Moment nicht klar. Manche Beobachter interpretieren die jetzt in Rede stehenden Ansprüche als "Wilhelms letzte Rache".



Zurück in den Schoß der Familie sollen auch Dokumente aus dem Geheimen Staatsarchiv in Berlin-Dahlem kommen, hier pars pro toto die Randbemerkung von Friedrich II., dem Großen, von 1764 über die Berliner, die der König für Faulpelze und Diebe hält.



Prinz August Wilhelm von Preußen, der vierte Sohn Wilhelm II., trat während der Weimarer Republik dem deutsch-nationalen paramilitärischen Frontkämpferbund "Stahlhelm" bei und schloss sich den Nazis an. Als er am 1. April 1930 der NSDAP beitrat, erhielt er "ehrenhalber" die in diesen Kreisen prestigeträchtige Mitgliedsnummer 24. Am 4. Juni 1931 trat er in die SA ein und erhielt den Rang eines Standartenführers. Wegen seiner Anbiederung an die Hitlerpartei seiner Verehrung für deren Führer war der Prinz Zielscheibe des Spotts vor allem im linken Politikspektrum. Die von ihm bewohnte Villa Liegnitz im Park von Sanssouci steht auf der aktuellen Forderungsliste der Hohenzollern. Im "Simplicissimus" machte sich Thomas Theodor Heine über Prinz August Wilhelm, genannt Auwi, in schlottriger SA-Uniform und unterschiedlichen Schuhen lustig. (Fotos/Repro: Caspar)



Im Vermögensstreit um tausende Kunstwerke in Museen von Berlin und Brandenburg bewegen sich das Haus Hohenzollern und die öffentliche Hand aufeinander zu, schreibt der TAGESSPIEGEL. Hingegen spricht die BERLINER ZEITUNG vom Scheitern der Geheimverhandlungen, die am 24. Juli 2019 am Potsdamer Platz stattfanden. Sie sollen ungeachtet der jüngsten Eskalationen weitergeführt werden sollen. Das Gespräch endete ohne Einigung. Günter Winands, Amtschef bei Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU) stellte als Verhandlungsführer für den Bund sowie die Länder Berlin und Brandenburg fest, "dass wir in manchen Dingen weit auseinander liegen. Aber wir sind zuversichtlich, eine gemeinsame einvernehmliche Lösung hinzubekommen." In den Medien wird bereits das Bild von leer geräumten Schlössern und Museen an die Wand gemalt, sollten die Gerichte der Familie Hohenzollern die Preziosen zusprechen, auf die sie Anspruch erheben. Angeblich sollen nach deren Bekunden die Leihgaben aber dort bleiben, wo sie jetzt sind. Bisher ist nicht öffentlich bekannt, ob die ehemalige Herrscherfamilie Gebühren für ihre Leihgaben, etwa im Schloss Charlottenburg ausgestellten Leihgaben bekommt. Da käme schon einiges Geld zusammen. Ex-Kaiser Wilhelm II. würde sich angesichts der letzten Rache, die er und sein Haus an der "verdammten Republik" nimmt, zufrieden die Hände reiben und sich sagen, dass er nicht umsonst gelebt hat.

Kriegs- und Naziverbrecher oder nicht?

Das Land Brandenburg will im Fall einer Nichteinigung das seit 2014 ruhende Verfahren am Berliner Verwaltungsgericht wieder aufleben zu lassen. Dabei geht es darum, ob den Hohenzollern eine Entschädigung von 1,3 Millionen Euro rechtmäßig zusteht. Dazu muss geklärt werden, ob Familienmitglieder dem Naziregime Vorschub geleistet haben. Die sowjetische Besatzungsmacht warf 1945 den Hohenzollern vor, mit den Nazis kollaboriert zu haben, und entzog ihnen das Wohnrecht in den Schlössern im Osten.

In der Berliner Zeitung hat Nikolaus Bernau darauf hingewiesen, dass sich die Hohenzollern bisher zurückgehalten haben, und er wundert sich, dass sie jetzt mit ihren Forderungen rauskommen. Innerhalb weniger Tage sei das Image der geradezu bürgerlichen Familie verloren, das vom aktuellen "Chef" des Familienverbandes, Georg Friedrich Prinz von Preußen, seit den 1990er Jahren aufgebaut worden war. "Immer wieder betonte er, dass von der Bundesrepublik nur das zu verlangen, was jedem anderen Deutschen auch zustehe: Also die Entschädigungen für Enteignungen und Verluste in der Sowjetischen Besatzungszone und in der DDR sowie eine endgültige Regelung der seit Jahren umstrittenen Besitzverhältnisse an jenen Objekten, die in den 1920er-Jahren als Familien-Dauerleihgaben etwa im Hohenzollernmuseum im Schloss Monbijou bezeichnet wurden. […] Trotz aller rechtlichen Verbürgerlichung und Unauffälligkeit sind die Hohenzollern aber immer noch eine besondere Familie, in deren Vermögen - und es dreht sich letztlich um eine Vermögensfrage - sich angenommener Staats- und angenommener Familien- sowie Privatbesitz oft kaum trennbar vermengt haben." Es gehe um die Frage, ob die Hohenzollern zu den Nazi- und Kriegsverbrechern zu zählen sind, was ihre Enteignung nach 1945 rechtfertigen würde. Bernau weist darauf hin, dass anderen ehemaligen Fürstenfamilien - den Wettiner, Obodriten, Welfen und denen in Baden - bereits erhebliche Vermögenswerte zugesprochen wurden.

DLF-Interview mit Wolfgang Thierse

Der frühere Bundestagspräsident Wolfgang Thierse sagte am 25. Juli im Deutschlandfunk, die Forderungen des Hauses Hohenzollern nach Rückgabe von Eigentum und Entschädigungszahlungen hätten den "Grad von Unverschämtheit" erreicht. Auf die Frage, ob der Bund und die betroffenen Länder ehemaligen Besitz der Hohenzollern an die Erben zurückgeben, sagte der SPD-Politiker: "Ich neige dazu, zu sagen nein, denn man muss sich erinnern, dass wir diesen Streit haben, ist die Folge einer, wie soll ich das nennen, inkonsequenten Revolution von 1918. Ich erinnere mich daran, wie mein Vater uns jungen jugendlichen Kindern mehrfach, sogar immer noch mit dem Ton der Empörung erzählt hat, dass in den 20er-Jahren ein Volksentscheid über die Fürstenenteignung gescheitert ist, weil eine Mehrheit unter den Deutschen sich nicht fand. Er erzählte dann auch, dass die Hohenzollern ja gleich drei ganze Züge mit Schätzen bekommen haben [mit 50 Waggons, H. C.]. Die fuhren nach Holland zum Sitz der Hohenzollern. Ich erinnere mich daran, dass die Empörung meines Vaters über Jahrzehnte angehalten hat und man sich doch auch jetzt angesichts der offensichtlich komplizierteren Rechtslage schlicht danach fragen darf, woher kommen eigentlich diese Reichtümer der Hohenzollern? Wer hat sie denn finanziert: Es waren doch die preußischen Untertanen, die deutschen Staatsbürger. Und jetzt sollen sie noch mal zur Kasse gebeten werden? Also die Rechtsfrage ist das eine, und die Frage nach politischer, moralischer Gerechtigkeit ist eine ganz andere."

Auf die Frage des Interviewers Christoph Heinemann, ob ein Rechtsstaat eine solche Frage nicht nach rechtsstaatlichen Kriterien beurteilen muss, sagte Thierse: "Richtig, muss er, aber dabei spielt auch eine Rolle, wie es zu diesem Eigentum gekommen ist. Es spielt eine Rolle, dass spätestens 1994 noch einmal festgestellt worden ist, wer mit den Nazis kollaboriert hat, hat Rechtsansprüche verloren. Das galt 1945, das galt beim Einigungsvertrag, das spielt eine Rolle bei all diesen Regelungen von Eigentumsfragen. Und das sollte doch auch für die Hohenzollern gelten, denn sie sind nichts Besonderes, sie sind jetzt Bürger unter Bürgern. Wir leben nicht mehr in einer Monarchie und schon gar nicht in einer absoluten Monarchie." Zur Frage nach der Schützenhilfe der Hohenzollern für das NS-Regime sagte Thierse: "Ich bin nicht Historiker, aber das Wenige, was ich darüber weiß, ist, dass mindestens der Sohn, also der Thronfolger eine höchst unrühmliche Rolle gespielt hat. Das wird zu bewerten sein. Er hat sich ja gebrüstet dafür, dass er Hitler zwei Millionen Wähler eingebracht hat, nämlich all diejenigen, die noch in irgendeiner Weise Royalistenanhänger des Kaisertums waren. Wenn man bedenkt, dass die Forderungen ja ein Grad von Unverschämtheit erreicht haben - sie sind ja aufgezählt worden -, dann bewirkt das, dass ganze Museen bedroht sind in ihren Inhalten. Das, was in den letzten vielen Jahrzehnten der Staat geleistet hat, die Kunstschätze ausgestellt hat, das heißt also auch betreut hat, gepflegt hat, all das soll keine Rolle mehr spielen. Ich habe den Eindruck, dass das Haus Hohenzollern das zurückhaben will, um es zu Geld zu machen. Man erinnere sich ja daran, dass es schon einmal eine Auktion gegeben hat, wo nicht etwa Herr von Preußen die Schätze, die er da dem Auktionator übergeben hat, erst in Deutschland angeboten hat, deutsche Museen, sondern da, wo er möglichst viel Geld erzielt hat. All das gehört mit zur Bewertung des Verhaltens dieses Hauses. Man darf doch wohl fragen danach, wie dieses Eigentum zustande gekommen ist. Das Haus Hohenzollern ist von Steuerzahlern bezahlt worden in seinem Leben. Das muss man bedenken, sonst kommen wir in Teufels Küche, wenn wir sagen, das spielt gar keine Rolle mehr, wie jemand zu seinem Eigentum gekommen ist, zu diesen irrsinnigen Reichtümern."

Wer hat das denn damals bezahlt?

Heinemann fragte weiter: "Die Erben des Kaisers können sich ja offenbar die Einrichtung eines Hohenzollernmuseums vorstellen. Wäre das eine mögliche Lösung? Das heißt, man kann ihnen ihr Eigentum zurückgeben oder einen Teil davon, und sie stellen es der Allgemeinheit rechtsverbindlich zur Verfügung." Darauf Thierse: "Ja, aber sie haben diesen Vorschlag ja schon verdorben mit der Idee, dass sie dann darauf Einfluss haben müssten. Also sie wollen Deutungsmacht über die Geschichte der Hohenzollern." Heinemann zufolgte haben sie das jetzt gerade noch mal zurückgewiesen, dass sie das eben nicht wollen, darauf Thierse "Wir werden sehen, aber jedenfalls ist es doch so, dass eine Reihe von Dingen, die ursprünglich mal zu den Hohenzollern gehörten, ja ausgestellt werden in Charlottenburg. Das gibt es ja alles schon. Was muss man daran ändern? Und wenn man das sozusagen wegnimmt, zerstört man, wie gesagt, Museen. Ich denke an das Grunewald-Museum [d. i. Schloss Grunewald, H. C.], im Schloss Charlottenburg gibt es wichtige Dinge aus Hohenzollern. Es ist doch nicht so, dass die Bundesrepublik Deutschland die Geschichte Preußens, damit indirekt oder direkt auch der Hohenzollern, nicht ausgestellt hat, nicht dargestellt hat, nicht angemessen gewürdigt hat. Das ist doch falsch. Wer jetzt etwas anderes verlangt, dem geht es offensichtlich doch mehr um Eigentum und damit, das heißt, natürlich auch im Geld."

Zur Frage nach der Rolle der Hohenzollern in der deutschen Geschichte, sagte Thierse, diese stünden für einen sehr widersprüchlichen Teil unserer Geschichte, wie überhaupt für die widersprüchliche deutsche Geschichte. "Man wird doch nicht nur an die Rolle des Hauses im Zusammenhang mit Hitler erinnern dürfen, sondern auch die Rolle des Kaisers beim Ausbruch des Ersten Weltkriegs, die Rolle des letzten Kaisers überhaupt bei der Militarisierung Deutschlands, bei der Umwandlung Deutschlands in einen imperialistischen Staat. Das sind doch unrühmlichere Kapitel der deutschen Geschichte. Also man darf sich nicht nur auf Friedrich den Großen beziehen und auf eine Reihe anderer nicht unwichtiger Könige, sondern auch insgesamt am Schluss auf die eher problematische Rolle des Hauses. […] Dass Verhandlungen ohne Pressebegleitung stattfinden, halte ich schon für vernünftig. Ich wünsche mir auch, dass man sich einigt, dass man sich gütlich einigt, aber ich wünsche mir auch, dass politisch-moralische Gesichtspunkte bei der Bewertung des Ganzen eine ebenso große Rolle spielen wie die im engeren Sinne juristischen Fragen."

Historiker und andere Spezialisten müssten nun klären, wie denn die Hohenzollern und all die anderen Dynastien in den Besitz ihrer Schlösser und Kunstschätze gelangt sind, und wenn behauptet wird, das alles hätten sie aus ihrer "Schatulle" bezahlt, dann ist das bestimmt gelogen. Es bahnt sich ein heftiger Streit an, der sich über Jahre hinziehen könnte. Die Unklarheiten sind schlecht für die beteiligten Stiftungen und Museen und ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die irgendwie in der Luft hängen.

25. Juli 2019

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