Theseus und Ariadne kamen aufs Stadtschloss
Nach und nach erhält der Brandenburgische Landtag am Alten Markt in Potsdam seinen barocken Attikaschmuck zurück



Bei der Theseus-Figur wurden Kopf und Gliedmaßen nach alter Vorlage neu geschaffen udn dunkel eingefärbt. Solche Figuren kosten pro Stück 40 000 bis 45 000 Euro.



Mit der Aufstellung der Figurengruppe des Theseus und der Ariadne an der Ostseite des Landtagsgebäudes begann nach dem Motto "Schluss mit oben ohne" die Wiederherstellung der barocken Dachlandschaft des früheren Stadtschlosses. Das Foto wurde vom Potsdam Museum im Rathaus am Alten Markt aus aufgenommen.



Das Foto aus der Zeit vor der Zerstörung zeigt die reiche Dachlandschaft des Potsdamer Stadtschlosses.



Das Potsdam Museum am Alten Markt dokumentiert in einem gut gemachten und mit interessanten Exponaten versehenen Überblick, was in der tausendjährigen Geschichte der Stadt geschehen ist und wie sich die Residenz-, Garnison- und Manufakturenstadt im Laufe der Jahrhunderte entwickelt hat. Das Modell zeigt, wie die Dächer und Fassaden des Stadtschlosses reich mit antiken Götterfiguren, Trophäen und Vasen geschmückt waren.



Die Tafel vor der Lustgartenseite des heutigen Landtages dankt dem großzügigen Mäzen Hasso Plattner.



Nach und nach wird die barocke Ringerkolonnade vervollständigt. Die Figuren zwischen den Säulen warten auf ihre Rückkehr.



Im Hof des im alten Kutschstall untergebrachten Hauses für Brandenburgisch-Preußische Geschichte warteten über längere Säulen, Kapitelle und Figuren auf ihren Einbau in die Fassade des Stadtschlosses. Dort kann man alte, dunkel gefärbte Bauteile von neuen Ergänzungen unterscheiden.



Das frühere Prinz-Heinrich-Palais Unter den Linden war die Berliner Residenz des Prinzen Heinrich von Preußen, eines Bruders von König Friedrich II. Nach dem Tod des Prinzen 1802 wurde die Dreiflügelanlage mit 14 Attikafiguren Sitz der neu gegründeten Friedrich-Wilhelms-Universität, die 1949 den Namen Humboldtuniversität erhielt. (Fotos: Caspar)



In einer Feierstunde am wieder aufgebauten Stadtschloss, dem heutigen brandenburgischen Landtag, wurde am 18. Juni 2019 der Startschuss zur Wiederherstellung der barocken Dachlandschaft dieses die Innenstadt so sehr prägenden Gebäudes gegeben. Auf die Attika an der Seite zur Humboldtstraße, dem Palais Barberini gegenüber, kehrten die aus der Erbauungszeit unter Friedrich II. stammenden Sandsteinfiguren des mythischen Helden Theseus und seiner Geliebten Ariadne zurück. In der kommenden Zeit sollen weitere restaurierte, ergänzte oder neu gefertigte Skulpturen dieser Art das Dach des Landtagsgebäudes schmücken. Beim Warten auf die Reden der Landtagspräsidentin Britta Stark, Jochen Kuke, dem Vorsitzenden des Vereins Potsdamer Stadtschloss e. V., sowie von Vertretern der Landeshauptstadt war zu erfahren, dass vor Jahren die Linken in Potsdam strikt gegen den Wiederaufbau des Stadtschlosses waren. Heute würden sie das Gebäude, in dem sie zu Plenartagungen und Fraktionssitzungen zusammenkommen und das eine große Touristenattraktion darstellt, "nicht schlecht" finden.

Nach der Legende wird Theseus die Einführung der Demokratie im antiken Griechenland zugeschrieben, hingegen ist Ariadne durch den berühmten Faden sprichwörtlich geworden. Von der Geschichte gibt es verschiedene Versionen. Nach einer soll König Minos von Kreta in seinem Palast von Knossos ein grässliches Mischwesen aus Mensch und Stier, den Minotaurus, gefangen gehalten haben. Aus den verwinkelten Gängen des Labyrinths gab es kein Entrinnen, es sei denn, man versuchte es mit List. Als Theseus den Minotaurus getötet hatte, half die schöne Königstochter Ariadne ihrem Geliebten aus dem unüberschaubaren Bau ans Tageslicht mit Hilfe eines Garnknäuels, das sie zur Orientierung auslegte. Der undankbare Theseus vergalt der Königstochter ihre Hilfe schlecht. Zwar konnte das Paar Kreta verlassen, doch auf der Insel Naxos ließ der Held die Schlafende schmählich allein. Dionysos, der griechische Gott des Weins, der Fruchtbarkeit sowie Freude, Fruchtbarkeit, des Wahnsinns und Ekstase, nahm sich ihrer an und machte sie zu seiner Gemahlin.

Nach und nach komplett

Die Aufstellung von Theseus und Ariadne passe gut zum brandenburgischen Landtag, der als Haus der Demokratie und der Bürgerinnen und Bürger großen Zulauf hat, sagte Landtagspräsidentin Britta Stark bei der Vorstellung der Arbeiten zur Wiederherstellung der barocken Dachlandschaft des Stadtschlosses und verwies auf markante Beispiele am Fortunaportal und einem der beiden Kopfbauten am Alten Markt. Vor kurzem sei der siebenhunderttausendste Besucher begrüßt worden. Auf der Kolonnade zum Marstall hin stehen bereits Sandsteinvasen und eine Puttengruppe. Diese waren dort vor einigen Wochen noch nicht zu sehen. Wer nach einigem Abstand Potsdam besucht, wird auf der Säulenreihe und auf dem Stadtschloss Zuwachs in Gestalt von restaurierten und ergänzten Skulpturen bemerken, mit denen König Friedrich II., sein Hofarchitekt Georg Wenzeslaus von Knobelsdorff sowie hoch talentierte Bildhauer die Residenz zwischen Havel und Altem Markt schmückten. Im kommenden Jahr wird dann die barocke Puttentreppe, auch Fahnentreppe genannt, wiederhergestellt sein.

Vom Potsdamer Stadtschloss, das mit großen Teilen der Innenstadt am 14. April 1945 einem britischen Luftangriff zum Opfer fiel und 1960 gegen den Widerstand von Einwohnern dem Erdboden gleich gemacht wurde, blieben erhebliche und für den Wiederaufbau verwertbare Reste erhalten. Mit Entwurfsplänen aus der Zeit Friedrichs des Großen, der 1744/45 seinen Baumeister Georg Wenzeslaus von Knobelsdorff mit dem repräsentativen Umbau des Palastes beauftragt hatte, sowie Messbildaufnahmen von 1910 und anderen in der Plankammer der Preußischen Schlösserstiftung befindlichen Dokumenten ist die Baugeschichte der königlichen Residenz hervorragend dokumentiert. Aufgrund der Quellen war der Wiederaufbau möglich, und begonnen wurde er vor 20 Jahren mit dem Fortunaportal. Namhafte Sponsoren wie der Moderator Günter Jauch und der Gründer des Softwareunternehmens SAP und Mäzen Hasso Plattner unterstützten mit erheblichen Summen den Wiederaufbau des Schlosses, das seit 2014 als Landtagsgebäude genutzt wird. Eine Gedenktafel vor der Lustgartenseite hebt Plattners bürgerschaftliche Engagement in deutscher und englischer Sprache lobend hervor.

Sponsoren weiter willkommen

Insgesamt schmückten nach Angaben des Vereins Potsdamer Stadtschloss e. V. 118 Sandsteinskulpturen die königliche Residenz. Stück für Stück werden die Originale beziehungsweise Kopien oder eine Mischung von beiden auf die historischen Orte gestellt. Wo es bei der Sprengung und dem Abriss Totalverluste gab, fertigten oder fertigen Bildhauer Nachbildungen anhand von Fotos und anderen Vorlagen an. Das Spendenaufkommen für die bis heute von manchen Politikern und Bewohnern der Stadt als unnötig, von anderen als wichtig erachteten Verschönerungsarbeiten betragen etwa 20 Prozent der Summe, die für den Wiederaufbau des ganzen Gebäudes aufgewandt wurde. Die Kosten für eine Adlergruppe auf dem Fortunaportal belaufen sich auf etwa 120 000 Euro, eine Attikatrophäe schlägt mit 60 000 Euro zu Buche und eine der 56 Attikavasen ist für 30 000 Euro zu haben. Für sie werden nach wie vor Sponsoren gesucht.

Mit der Rekonstruktion des Fortunaportals wurde vor 20 Jahren der Startschuss für den Wiederaufbau des Potsdamer Stadtschlosses gegeben, dessen doch recht stattliche Kriegsruine 1960 auf Befehl des SED-Chefs Walter Ulbricht abgerissen wurde. Bevor die Bauleute anrückten, gingen Archäologen in den Boden und gruben die Fundamente aus. Jede Scherbe und jeder Stein, die vor über 300 Jahren als Füllmaterial in die Grube geworfen wurden, wurden registriert, ebenso die Lage der Mauern sowie Reste eines aus Fliesen bestehenden Fußbodenbelags. Die Mauern im Erdreich waren wichtig, um das neue Fortunaportal auf genau der gleichen Stelle zu errichten wie das alte. Außer zerschlagenen Töpfen und Krügen wurden auch Überbleibsel von Tonpfeifen gefunden. Sie werden als Hinweis auf das in allerhöchsten Kreisen bei den "Tabagien", aber auch bei der Schlosswache beliebte Tabakrauchen angesehen und sind mit anderen Relikten im Potsdam Museum im Alten Rathaus schräg gegenüber vom Stadtschloss zu sehen. Da auch Grundmauern des Schloss-Vorgängers ausgehoben wurden, konnten Architekturhistoriker Aussagen über die Baugeschichte der kurfürstlichen und ab 1701 königlichen Residenz vor ihrer Umgestaltung durch Knobelsdorff im Auftrag von Friedrich dem Großen treffen.

Es begann mit dem Fortunaportal

Während sich Kurfürst Friedrich III. im Winter 1700/1 auf den Weg nach Königsberg machte, um sich zum König "in" Preußen zu krönen, errichtete man am Potsdamer Stadtschloss nach Plänen des Holländers Jean de Bodt ein prächtiges Triumphtor, durch das der Monarch, der sich jetzt Friedrich I. nannte, nach seiner feierlichen Rückkehr zog. Während die aus Gips, Holz und Pappe gefügten Triumphtore in Berlin nicht erhalten sind, erinnerte bis 1960 das Potsdamer Fortunaportal an die feierliche Heimholung des prunkliebenden Herrschers. Sein Enkel Friedrich II. schätzte den Säulenbau mit der vergoldeten Glücksgöttin so sehr, dass er seinem Architekten Knobelsdorff befahl, es beim Umbau des alten Stadtschlosses stehen zu lassen. Das Fortunaportal wurde in traditioneller Bauweise gemauert, Ziegel auf Ziegel, im Fundamentbereich auch unter Verwendung von Feldsteinen, wie man sie auch bei den Mauerresten des Berliner Schlosses nachgewiesen hat, das 2020, nach einer Terminverschiebung, nun endlich als Humboldt Forum eröffnet werden soll.

Die Ausstellung "Minervas Mythos - Fragmente und Dokumente des Potsdamer Stadtschlosses" der Stadt Potsdam und ihrer Denkmalschutzbehörde sowie der Schlösserstiftung im Rathaus am Alten Markt verdeutlichte im Jahr 2001, was von der Residenz erhalten blieb. Zu der mit vielen originalen Steinen und historischen Darstellungen bestückten Ausstellung erschien ein Katalog, der die Schlossreste auflistet, aber auch Erinnerungen von Potsdamern an das berühmte Bauwerk enthält. Vor und während des Abrisses wurden zwar herausragende Figuren und exemplarische Teile der Architekturplastik geborgen. Unbekannt aber ist, was vor 40 Jahren zermahlen, was auf Schutthalden geworfen und was "privat" von Souvenirjägern und Kunstfreunden mitgenommen wurde. Wie Fotos zeigen, wurden seinerzeit Skulpturen, soweit sie den Bombenangriff überstanden und nicht ausgebaut und eingelagert wurden, mit dem Bauschutt abtransportiert.

Mustersteine waren wichtig für Wiederaufbau

Bei Untersuchung der zum Bau des Thälmann-Stadions verwendeten Steinmassen wurden Wand- und Fußbodenreste vom Marmorsaal, Treppenhaus und Bronzesaal gefunden, die bei der Rekonstruktion des Stadtschlosses gute Dienste taten. Außerdem waren "Mustersteine" nach Knobelsdorffs Entwürfen wie Basen und Kapitelle von Säulen sowie Fenster- und Türeinfassungen sichergestellt worden, nach denen Bildhauer die Fassade weitgehend originalgetreu nachgestalten konnten. Jeder Stein, jede Figur wurden als Dokument für den Wiederaufbau gebraucht. Die Spolien sind nicht nur wichtige Zeugnisse der Architektur- und Kunstgeschichte, sie halfen auch bei der Erarbeitung der Baupläne, da an ihnen alte Fotos, Zeichnungen und Gemälde überprüft und nachgemessen werden können.

Die Chancen auf die Rückkehr der acht Attikafiguren des Stadtschlosses, die seit 1967 die das Dach über dem Eingang der Humboldt-Universität zu Berlin schmücken, stehen nicht gut. Das Land Berlin will die Potsdamer "Exilanten" restaurieren, was in der brandenburgischen Landeshauptstadt als Indiz wahrgenommen wird, dass sie dauerhaft in der Hauptstadt verbleiben werden. Beim Stadtschlossverein heißt es, es sei gut, dass die überlebensgroßen Sandsteinskulpturen fachlich restauriert werden sollen. Aber es sei zu befürchten, dass die Berliner Denkmalpflege versuchen wird, die Figuren zu behalten, sagt Vereinschef Hans-Joachim Kuke und weißt darauf hin, dass das Tauziehen um die überlebensgroßen Skulpturen, die bis zur Sprengung des Stadtschlosses 1959/60 zu dessen Wahrzeichen zählten, seit vielen Jahren andauert. 1967 waren die beim Bombenangriff am 14. April 1945 unzerstört gebliebenen Figuren als Dauerleihgaben der damaligen Schlösserverwaltung in die Hauptstadt der DDR gekommen.

Nach Meinung von Berliner Denkmalpflegern gehören sie mittlerweile zum "unauflöslichen Teil des Denkmalensembles" in Gestalt des ehemaligen Prinz-Heinrich-Palais Unter den Linden, in dem 1810 die von König Friedrich Wilhelm III. gestiftete und nach ihm benannte Universität untergebracht wurde. Eine Rückgabe komme daher nicht infrage. Ähnlich argumentiert die Humboldt-Universität. Die Attikafiguren sollten auf dem Hauptgebäude der Humboldt?Universität zu Berlin bleiben, denn sie gehören seit über 50 Jahren zur Berliner Alma mater. Seit 1975 stehen sie gemeinsam mit dem Hauptgebäude der HU unter Denkmalschutz. Die Sicherungsarbeiten an den Skulpturen erfolgen in enger Absprache mit der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg und den Denkmalbehörden. Geplant sind die Überprüfung der Standsicherheit, Maßnahmen zur Verbesserung des Blitzschutzes sowie die Untersuchungen besonders angegriffener Partien und deren Konservierung.

19. Juni 2019

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