Meisterwerke in Kupferblech getrieben
Berliner Kupferschmied und Metallrestaurator Peter Trappen hat ein lehrreiches Fachbuch über Treibarbeiten verfasst





Mit seinen fünf Durchfahrten und reichem Skulpturenschmuck schließt das nach griechischem Vorbild erbaute Tor die Prachtstraße Unter den Linden nach Westen ab. Am 13. August 1961 zogen DDR-Grenzsoldaten und Kampfgruppen einen festen Kordon um das Brandenburger Tor, sich ihm und überhaupt der Mauer und der innerdeutschen Grenze ohne Genehmigung zu nähern, war lebensgefährlich. Viele Menschen bezahlten ihre Fluchtversuche mit Blut und Freiheit.



Im Märkischen Museum wird ein originaler Pferdekopf von der Quadriga gezeigt.



Die Apollogruppe und der geflügelte Pegasus auf dem heute Konzerthaus genannten Schauspielhaus am Gendarmenmarkt wurden nach Kriegszerstörung originalgetreu in Kupfertreibarbeit neu geschaffen. Als Vorlagen dienten Modelle, die von Bildhauern nach fotografischen und anderen Vorlagen neu geschaffen haben.



Auf den Turm der Französischen Kirche am Gendarmenmarkt, auch Französischer Dom genannt, wurde 1982 die in der Werkstatt von Achim Kühn nach einem Modell von Gorch Wenske in Kupfertreibarbeit neu gefertigte Figur der Religion gehoben.



Nach Foto, Modellen anderen Vorlagen nachgestaltet ist die Gigantengruppe auf dem heutigen Museum für Kommunikation an der Leipziger Straße in Berlin.



Der Löwenbrunnen aus deem frühen 19. Jahrhundert im Schlosspark von Klein-Glienicke ist eine vergoldete Kupfertreibarbeit.



Alte Fotos und weitere Vorlagen taten bei der Wiederherstellung der vergoldeten Fortuna auf dem gleichnamigen Portal des Potsdamer Stadtschlosses und des ebenfalls vergoldete Kuppelschmucks vom Marmorpalais im Potsdamer Neuen Garten wurdengute Dienste. (Fotos: Caspar)

Dass die aus Kupferblech geformte Siegsgöttin ihr Viergespann auf dem Brandenburger Tor nicht nur stadteinwärts geblickt hat, sondern auch stadtauswärts gefahren sei, gehört zu den langlebigen Legenden der in dieser Hinsicht nicht gerade armen Berliner Historie. Manche Menschen, die sich vor dem Berliner Wahrzeichen versammeln, glauben an das Märchen, und immer wieder muss man den Irrtum dementieren und darauf hinweisen, dass die Geschichte von der in Richtung Tiergarten "umgedrehten" Quadriga" auf ein um 1864 entstandenes Gemälde zurück geht, welches die Wagenlenkerin fälschlicherweise ihren Rücken der Stadt zukehrend feiert.

Der Berliner Bildhauer Johann Gottfried Schadow hatte die geflügelte Wagenlenkerin als Eirene, als Friedensgöttin, konzipiert. Nach anderer Deutung war die Figur von Anfang an als Victoria, also Siegesgöttin, gedacht. Eigentlich sollte die Figurengruppe in Bronze gegossen und vergoldet werden, doch gab es Bedenken, dass sie für den Säulenbau viel zu schwer werden wird. Deshalb wurde entschieden, die Göttin, den Wagen, auf dem sie steht, und die vier Pferde als Kupfertreibarbeit herzustellen. Auf Anraten der Akademie der Künste wurde auf einer Vergoldung verzichtet. In seinen Lebenserinnerungen "Kunstwerke und Kunstansichten" (1849) hat Schadow sein wohl populärstes, zumindest monumentalstes Werk nur mit wenigen Worten erwähnt. "Das Modell zur Quadriga wurde mir aufgetragen: dieses und das fortwährend besprochene Denkmal des Großen Königs [Friedrich II.] regten mich gar ernsthaft an, den Blick auf die Gestaltung des Pferdes zu richten. Um die Bewegung desselben, fürs erste nur im Schritt, kennenzulernen, wurde einer der Beamten im Königlichen Marstalle angewiesen, so zu reiten, dass ich darnach Zeichnung nehmen konnte. […] Zu der geflügelten Göttin auf dem Triumphwagen entwarf ich eine kleine Skizze. Diese Figur wurde dem Klempnermeister Gerike in Potsdam übertragen, der sich dabei überaus geschickt benahm, was sich mit dadurch bewährt, dass diese Figur den Stürmen Widerstand leistet…".

Märchen von der umgedrehten Quadriga

Die Potsdamer Bildhauer Johann Christoph Wohler und Michael Christoph Wohler übernahmen die Anfertigung der Holzmodelle, die zur Ansicht, jedoch nicht als Treibunterlage dienten. An deren Ausführung waren mehrere Potsdamer Kunsthandwerker beteiligt. Angeblich soll dem Kupferschmied Emanuel Jury dessen Nichte Friederike als Modell für die Göttin gedient haben, eine Behauptung, die sich wie die "umgedrehte" Quadriga bis heute hält. Das Gerücht wurde von einer gewissen Elise Schmidt in einem 1888 veröffentlichten Buch aufgestellt. Als Enkelin jener Friederike Jury hatte sie wohl Interesse, Glanz auf das Haupt des Potsdamer Kupferschmieds und damit wohl auch auf das eigene zu lenken.

Johann Gottfried Schadow und andere Berliner mussten Ende 1806 zusehen, wie Kaiser Napoleon I., der Sieger der Schlacht von Jena und Auerstedt zwischen Preußen und Frankreich, durch das Brandenburger Tor zog und kurz darauf die Demontage der Quadriga befahl. Dabei ignorierten die Besatzer die inständigen Bitten des Bildhauers, im Interesse der empfindlichen Figurengruppe aus dünnem Kupferblech auf den Abbau zu verzichten. In Paris wollte der Kaiser die Trophäe auf einem Triumphbogen aufstellen, doch es kam nicht dazu. Erst nach der Niederlage Frankreichs in der Völkerschlacht bei Leipzig am 18. Oktober 1813 und dem Einmarsch der Verbündeten in Paris ein Jahr später konnte der kupferne Torschmuck im Triumphzug wieder die Heimreise nach Berlin antreten. In den leeren Kranz, den die Wagenlenkerin an einer langen Stange hält, wurde das 1813 von Friedrich Wilhelm III. gestiftete Eiserne Kreuz montiert. Obenauf flatterte der gekrönte preußische Adler. Aus dem Friedenstor war ein Siegestor geworden, und wann immer ein Sieg gefeiert wurde, zogen Truppen durch die fünf Toröffnungen. So war es auch beim Fackelzug am Abend des 30. Januars 1933, als Adolf Hitler, der Führer der NSDAP, Reichskanzler wurde. Beim Anblick der braunen Horden sagte der neben dem Brandenburger Tor wohnende Maler Max Liebermann, er könne gar nicht so viel fressen wie er kotzen müsse.

Vom Kupferblech über das Handwerk zur Kuppelfigur

Im Frühjahr 1945 wurde das Tor bei den letzten Kämpfen in der Reichshauptstadt stark beschädigt. Zerschossenes Kupferblech und gekrümmte Eisenstangen, die von der Quadriga stammten, bedeckten den mit Einschusslöchern übersäten Säulenbau. Von dem Schrotthaufen blieb nur ein originaler Pferdekopf übrig, der im Märkischen Museum am Köllnischen Park in Berlin-Mitte besichtigt werden kann. 1949 beschloss der Ost-Berliner Magistrat, das Brandenburger Tor restaurieren zu lassen und die zerstörte Figurengruppe durch eine Nachbildung zu ersetzen. Der Magistrat übernahm die Wiederherstellung des Säulenbaus, während die im Westteil der Stadt tätige Bildgießerei Noack die Wiederherstellung des Vierergespanns nach originalgroßen Gipsabgüssen übernahm. Diese waren 1943 für den Fall angefertigt worden, dass das Wahrzeichen durch Bombenangriffe Schaden nimmt.

Wie der Berliner Metallrestaurator Peter Trappen in seinem mit vielen Beispielen und Fotos versehenen Buch "Vom Kupferblech über das Handwerk zur Kuppelfigur" (Eigenverlag Berlin 2017, e-Mail peter_trappen@gmx.de) berichtet, wurden bei Noack von den Gipsvorlagen dickwandige Zinkgussformen hergestellt, auf die die auf Lederkissen vorgetriebenen Bleche aufgeschraubt wurden. Der Zinkguss bildete die Unterlage für die umfangreichen und komplizierten Endfertigung mit Treibhämmern und Punzen. Die einzelnen Kupferbleche hat man anschließend zu der berühmten Figurengruppe kunstreich zusammengefügt. Wer Gelegenheit hat, auf dem Dach des Brandenburger Tors ganz dicht an die Quadriga heranzutreten, wird sehen, wie die grün patinierten Bleche zueinander passen.

Präzisionsarbeit am Amboss

Für Peter Trappen ist nach eigenem Bekunden die Arbeit als Kupferschmied nicht nur Beruf gewesen, "sondern eine Berufung, eine Leidenschaft, die auch nach dem Berufsleben keine Grenzen hat." Als Mitarbeiter einschlägiger Fachbetriebe, darunter auch der bekannten Metallrestaurierungsfirma Haber & Brandner in Berlin-Weißensee, hat er an zahlreichen Kupfertreibarbeiten in der Hauptstadt und in anderen Städten mitgewirkt und schildert aus seiner langen Berufserfahrung, was zu tun ist, um aus einem kleinen Modell in Treibarbeit eine überlebensgroße Figur zu schaffen, aber auch Löcher und Risse bei schon vorhandenen Skulpturen zu schließen, um sie vor Wind und Wetter zu schützen. Er beschreibt in verständlicher Form einzelne Arbeitsgänge wie den Bau von inneren Stützkonstruktionen, die die getriebnen Bleche einen Halt geben. Die Stützkonstruktion ist wie bei uns Menschen das Rückrad, aber auch Verfahren, um das Kupfer zu patinieren oder zu vergolden.

Vorgestellt werden früher und heute verwendete Materialien und Werkzeuge, und man findet in dem Buch auch Hinweise auf Fundstücke wie alte Zeitungen und Urkunden, die Restauratoren als Andenken im Inneren der Figuren hinterlassen haben. Insgesamt vermittelt der Verfasser eine gute Vorstellung von dem, was Kupferschmiede, Metallrestauratoren und Bildhauer sowie die sie beratenden Kunsthistoriker und andere Spezialisten bei der Wiederherstellung und Restaurierung von Kuppel- und anderen in Kupfertreibarbeit gefertigten Skulpturen tun. Viel Feingefühl und virtuoser Umgang mit Blechen und Hämmern, Nieten und Schweißgeräten, aber auch Berechnungen und Präzisionsarbeit am Amboss bei der Übertragung der Formen vom Modell auf das Metall sind nötig, um in dieser speziellen Sparte der Umformtechnik erfolgreich zu sein. Das spanlose, mal in kaltem, mal im warmen Zustand praktizierte Verfahren wird von den Metallhandwerkern ungeachtet vieler technischer Neuerungen auch heuten ähnlich wie in früheren Perioden angewandt.

Zu nennen sind die nach einem Modell von Gorch Wenske (1928-2016) von Peter Trappen und Kollegen in ein Millimeter starken Kupferblech getriebenen, vergoldeten christlichen Tugenden auf der Turmspitze der Deutschen Kirche und der Französischen Kirche am Berliner Gendarmenmarkt, die Gruppe des Apollo in einem von zwei Greifen gezogenen Streitwagen sowie der geflügelte Pegasus auf dem Dach des von Schinkel erbauten, nach den Zerstörungen des Zweiten Weltkriegs wieder aufgebauten Schauspielhauses am Gendarmenmarkt. Erläutert werden, um weitere Beispiele zu nennen, der einen Drachen niederstechende Erzengel Michael über dem Portal der Friedrichswerderschen Kirche, die vergoldeten Löwen, die vor dem Schloss in Klein-Glienicke Wasser in einen Brunnen speien, und die Gigantengruppe auf dem ehemaligen Kaiserlichen Postmuseum und heutigen Museum für Kommunikation an der Ecke Mauer- und Leipziger Straße in der Mitte von Berlin.

Alte Fotos dienten als Vorlagen

Als Kupfertreibarbeit nach alten Fotos wiederhergestellt wurden die vergoldete Glücksgöttin auf dem Fortunaportal des Stadtschlosses in Potsdam, das heute als Landtagsgebäude genutzt wird, während die drei Grazien auf der Kuppel des Neuen Palais im Park von Sanssouci restauriert und neu vergoldet wurden. Wiederhergestellt in Kupfertreibarbeit wurde anhand alter Fotografien die Ende des Zweiten Weltkriegs zerstörte Kuppelbekrönung des Marmorpalais im Potsdamer Neuen Garten. Hier stand nur ein von unten aufgenommenes, stark verzerrtes Foto zur Verfügung, das von den Bildhauern Rudolf Böhm und Walter Rentzsch analysiert und neu interpretiert werden musste, um ein Gipsmodell anfertigen zu können.

Peter Trappen, der an diesen und weiteren Arbeiten in der Werkstatt des bekannten Kunsthandwerkers Achim Kühn beteiligt war, beschreibt bei diesen und weiteren Objekten in Berlin, Potsdam und an anderen Orten die einzelnen Arbeitsgänge und würdigt die Arbeit der beteiligten Bildhauer, die nicht selten aus unzureichenden Vorlagen oder auch kleinen Modellen großartige Skulpturen als Vorlagen für die nun folgenden Arbeiten schufen. Der Verfasser schöpft in seinem Buch aus einer langen Berufserfahrung. Er hat gesehen, dass in der Fachliteratur viele Fragen im Zusammenhang mit der von ihm praktizierten Umformtechnik wenig und/oder ungenau beschrieben werden. Diese Lücke auszufüllen, ist sein Anliegen, und es ist nur zu wünschen, dass das Buch, das eine wertvolle praktische Handreichung ist, an die richtigen Adressen gelangt und beherzigt wird.

19. Oktober 2019

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