Helmholtz-Zentrum für Kulturtechnik
Sanierung des historischen Gebäudekomplexes rund um das Tieranatomische Theater in Berlin ist abgeschlossen



Das farbige Bild aus der Zeit um 1800 zeigt den von Carl Gotthard Langhans im Auftrag von König Friedrich Wilhelm II. zur Ausbildung von tüchtigen Tierärzten erbauten "Trichinentempel" noch in unbebauter Gegend außerhalb der preußischen Hauptstadt.



Im Laufe der Zeit kamen zahlreiche Instituts- und Lehrgebäude der Humboldt-Universität hinzu. Ihre Sanierung und Restaurierung ist noch lange nicht abgeschlossen.





Innen und außen sorgsam restauriert lädt die Tierarzneischule zu Vorlesungen, Feiern und Ausstellungen ein, die kuppelförmige Decke ist mit Szenen aus dem Leben der Bauern und Hirten bemalt.



Eine Tafel der Königlichen Porzellanmanufaktur Berlin erinnert seit 2018 an dem Haus Charlottenstraße 49 in Berlin-Mitte an Carl Gotthard Langhans, dessen bekanntestes Bauwerk das Brandenburger Tor mit Schadows Quadriga obenauf ist, der aber weitaus mehr geleistet hat.





Steinerne Nachbildungen von Löwenfellen und Rinderschädeln über Türen und Fenstern geben schon von Weitem die Bestimmung des Hauses als Ausbildungsstätte für Tierärzte zu erkennen, während Ausmalungen an der inneren Kuppeldecke idyllisches Landleben mit Hirten und ihren Herden schildern. (Fot0s: Caspar)

Im sanierten Gerlach- und Wolffbau auf dem Campus Nord der Humboldt-Universität zu Berlin (HU) hat das Zentralinstitut Hermann von Helmholtz-Zentrum für Kulturtechnik (HZK) einen neuen Standort eröffnet. Die Räumlichkeiten bieten unter anderem Platz für ein Objektlabor mit angeschlossenem Digitallabor sowie ein Sammlungsdepot und Werkstatt, eine Bibliothek und einen Vorlesungsraum. Benannt ist das Gebäude nach Andreas Christian Gerlach, dem damaligen Direktor der Tierarzneischule. Ihm schließt sich das Tieranatomische Theater aus dem späten 18. Jahrhundert an, das als Ausstellungshaus und für Veranstaltungen genutzt wird. Mit dem Einzug des HZK in die Gebäude entstehen wegweisende neue Infrastrukturen für interdisziplinäre Projekte in der objekt- und materialzentrierten Forschung.

Der Gerlachbau wurde 1873 von Julius Emmerich als erster Erweiterungsbau des von Carl Gotthard Langhans 1789/90 errichteten, scherzhaft auch Trichinentempel genannten Tieranatomischen Theaters errichtet und von Walter Wolff 1935 um einen Kopfbau ergänzt. Unter anderem verfügt das Gebäude über eine originale Holzkassettendecke im Kurssaal. Die Sanierung war möglich dank der Unterstützung zahlreicher Partner, darunter die Deutsche Stiftung Denkmalschutz, die Treuhandstiftung Anatomisches Theater, die Berliner Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen, die Hermann Reemtsma Stiftung und die Stiftung Humboldt-Universität.

Flechtwerk der Dinge

Das Hermann von Helmholtz-Zentrum für Kulturtechnik verfolgt als Zentralinstitut projektbezogene multidisziplinäre Forschung, interdisziplinäre Lehre und ihre Gestaltung. Die Kulturtechnikforschung verbindet dabei die Erforschung von wissenschaftlichen Sammlungen, eine forschungsnahe objekt- und materialorientierte Lehre und Wissenschaftskommunikation im Humboldt Labor im Humboldt Forum und im Tieranatomischen Theater. Das HZK verknüpft in der Kulturtechnikforschung historische und zukunftsorientierte Perspektiven auf der Ebene von Praktiken, Materialien und Objekten des Sammelns, Forschens und Gestaltens. Es fördert den Transfer von Methoden und Forschungsergebnissen aus Geistes- und Naturwissenschaften sowie gestalterischen Disziplinen. Im Oktober 2019 wurde im Tieranatomischen Theater das neue Sammlungsschaufenster der Humboldt-Universität zu Berlin eröffnet. Als "Flechtwerk der Dinge" verknüpft es die dezentral an den Instituten der HU sowie bei den Partnern der Berlin University Alliance angesiedelten Sammlungen an einem zentralen Ort mit dem Ziel, interdisziplinäre Forschungsfragen öffentlich zu präsentieren. Ein erster Schwerpunkt liegt in der Provenienzforschung zu den Sammlungen der Humboldt-Universität.

Wie durch ein Wunder hat das 1789 bis 1790 in der so genannten Friedrich-Wilhelm-Stadt vor den Toren der preußischen Haupt- und Residenzstadt errichtete Gebäude alle Kriege und Katastrophen überstanden, wenn auch nicht mehr im Originalzustand. Historische Darstellungen zeigen das wie ein antiker Tempel gestaltete Unterrichtsgebäude mit flacher Kuppel obenauf in unbebauter Gegend, umgeben von Wiesen und Bäumen. Das so genannte Anatomische Theater diente der Ausbildung von Studenten der Königlichen Tierarzneischule, die der ansonsten nur als Frauenheld und Geisterseher bekannt gewordene preußische König Friedrich Wilhelm II. "zum Besten des Landes, der Cavallerie, der Marställe und Gestüte" gestiftet hatte. Gut ausgebildete Tierärzte wurden in der Armee und Landwirtschaft dringend zur Seuchenvorsorge und zur Pflege kranker Tiere gebraucht. Da Ausfälle im Tierbestand sehr viel Geld kosteten und dort ausbrechende Seuchen immer auch die Gefahr von Hungersnöten und militärischen Katastrophen mit sich brachten, ließ sich der preußische Staat die Ausbildung von Fachleuten und die Pflege von Nutztieren wie Pferde, Rinder und Schafe einiges kosten.

Galerie der Präparate und Skelette

Ausgestattet war die im Stil des Frühklassizismus errichtete Tierarzneischule damals noch auf unbebautem Gelände außerhalb der preußischen Haupt- und Residenzstadt auf das Modernste mit einem kreisrunden Hörsaal, der von oben durch eine verglaste Öffnung in der Kuppel beleuchtet wurde, und einer Apotheke. Das italienischen Villen nachempfundene Gebäude verfügte ferner über eine gut ausgestattete Bibliothek. Hinzu kamen eine Hufeisensammlung, eine "Gallerie der Präparate und Skelette" und ein warmes Bad für die vierbeinigen Patienten. In der Umgebung gab es unter schattigen Bäumen Koppeln, "um kranke Thiere bei schicklicher Witterung ins Freie führen zu können", heißt es in einer alten Beschreibung. Außerdem besaß die Tierarzneischule "Ställe für Pferde, Hornvieh, Schaafe, Schweine und Hunde".

In einem Seitengebäude gab es eine so genannte Mazerationsanlage zum Trocknen und Bleichen der Tierskelette. Ferner verfügte die Tierarzneischule über eine Reitbahn und ein "Speisehaus für die Eleven". In dieser Mensa wurden Studenten beköstigt. "Nahe dabei ist noch ein Thierhospital, welches Ställe für Pferde mit ansteckenden Krankheiten und für kollerische Pferde enthält", heißt es in einem Berlin-Lexikon aus dem Jahr 1834. "Die Anstalt hat die Bestimmung, geschickte Thierärzte für die Kavallerie und das Land zu bilden, zu welchem Behuf 24 Militair-Eleven sich in der Anstalt befinden, die als Rossärzte in die Armee eintreten". Der Unterricht dauerte drei Jahre, kranke Pferde wurden ärztlich behandelt, lediglich mussten die Besitzer die Kosten für Fütterung und Medikamente übernehmen.

Im Keller unter dem wie ein Amphitheater gestalteten Hörsaal gab es eine Hubvorrichtung, mit der man während der Lehrveranstaltungen Tierkadaver zum Zwecke der Sektion heraufholen konnte. Ob es die Humboldt-Universität schafft, die verloren gegangene Apparatur wiederherzustellen. Weitgehend im Original erhalten ist der Bibliothekssaal mit Wandschränken nach Langhans' Entwurf. Auch hier sind an den Bücherschränken geschnitzte Widderschädel und Pflanzenarrangements angebracht, wie man sie in der Zeit des Frühklassizismus liebte. Nachdem Restauratoren hässliche graue Farbschichten entfern haben, kommen das Mobiliar und kostbare frühklassizistische Innenarchitektur auf das Schönste zur Geltung.

19. Dezember 2019

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