Die Hohenzollern haben das zum Preußischen Kulturbesitz gehörende Münzkabinett durch großzügige Ankäufe gefördert. Seine Ursprünge gehen in das frühe 17. Jahrhundert zurück. Der Große Kurfürst Friedrich Wilhelm besaß bereits knapp 5000 meist antike Münzen, ließ weitere im Ausland ankaufen und verzeichnete mit der ererbten Münzsammlung der Kurfürsten von der Pfalz einen bedeutenden Zuwachs. Sein Sohn Friedrich III., der sich 1701 zum König Friedrich I. in Preußen krönte, baute die Sammlung großzügig aus und veranlasste ihre Veröffentlichung im "Thesaurus Brandenburgicus" durch Lorenz Beger, der mit dem Pfälzer Bestand nach Berlin gekommen war. Das durch Friedrich den Großen und weitere Könige durch Ankauf ganzer Sammlungen und Zuweisung einzelner Stücke ausgestattete Münzkabinett wurde 1830 mit der Gründung der Königlichen Museen dem Antiquarium der neu gegründeten Königlichen Museen zugewiesen. Am 1. Oktober 1868 erhielt das Münzkabinett den Rang eines selbstständigen Museums. Dessen wechselvolle Geschichte schildert Bernd Kluge, der langjährige Direktor des Berliner Münzkabinetts, in den Büchern "Das Münzkabinett. Museum und Wissenschaftsinstitut" (herausgegeben vom Münzkabinett der Staatlichen Musen zu Berlin Preußischer Kulturbesitz, Berlin 2004, 119 Seiten, zahlreiche Abbildungen, ISBN 3-88609-494-4) und in weiteren Publikationen.
Friedrich II. ließ einschmelzen
Im Laufe seiner langen Geschichte erlitt das Münzkabinett bedeutende Zuwächse, aber auch manche Verluste durch Diebstahl sowie durch den Zwang, goldene Prägungen zur Schuldentilgung der Könige von Preußen einzuschmelzen und in kurantes Geld zu verwandeln. Friedrich II. wies in einer Kabinettsordre vom 23. Mai 1743 die Münzdirektion an, alte, nicht mehr gebrauchte Medaillen und vielleicht auch Münzen einzuschmelzen, um Material für neue zu gewinnen. Zwar wissen wir nicht, was da den Tod im Tiegel erlitt und ob darunter auch Stücke aus dem Münzkabinett waren. Aber wir erfahren, dass die erste Garde der preußischen Künstlerschaft, nämlich der Architekt Georg Wenzeslaus von Knobelsdorff und der Hofmaler Antoine Pesne, mit der Anfertigung von Entwürfen für neue Medaillen zur Verherrlichung des Königs und wichtiger Ereignisse der preußischen Kriegsgeschichte beauftragt wurden. "Naechstens aber sollet Ihr veranstalten, dass von solchen [alten einzuschmelzenden Medaillen, H. C.] vor ungefehr 2000 Thl. [Taler, H. C.] Wert andere Medaillen, jede zu 20, 30 bis 50 Ducaten mit Meiner Büste gepräget werden, davon der Revers von einem notablen Evenement Meiner Regierung als etwa der Breslauische Friede, sein muss; das Dessein oder die Invention davon soll der Surintendant v. Knobelsdorff machen und der Hofmaler Pesne zeichnen."
Ernste Gefahr drohte dem Berliner Münzkabinett im Ersten Weltkrieg (1914-1918), als es hieß "Gold gab ich für Eisen". 1917, im vierten Jahr dieses bis dahin schrecklichsten aller Kriege, mussten Mitarbeiter der Sammlung deren antike, mittelalterliche und neuzeitliche Goldmünzen aussortieren und der Reichsbank zum Einschmelzen zur Verfügung stellen. Die Berliner Sammlung war nicht die einzige, die solche Weisungen erhielt. Ähnliche Forderungen gingen auch an andere Kabinette, wie Bernd Kluge, der Direktor des Berliner Münzkabinetts, in eine Darstellung der Sammlungsgeschichte bemerkt. Julius Menadier, der damalige Direktor des Münzkabinetts, stellte, unterstützt vom Generalsdirektor der Königlichen Museen, Wilhelm von Bode, die Unsinnigkeit dieser Maßnahme dar, erreichte aber nur, dass die antiken Goldmünzen verschont wurden. Am Ende wurden 6543 mittelalterliche und neuzeitliche Gepräge im Gewicht von 49 Kilogramm und einem Wert von 127 406,76 Mark entnommen und der Reichsbank zugestellt.
Münzkabinett wurde zum Glück verschont
Zum Glück erlitten die Goldmünzen nicht den Tod im Tiegel. Denn angesichts ihres immensen wissenschaftlichen und kunsthistorischen Werts der Goldmünzen und des großen Schadens, den die Berliner Sammlung erlitten hätte, zeigte sich die Behörde einsichtig. So konnte Julius Menadier die versiegelten Kisten am 7. Dezember 1918, einen Monat nach dem Sturz der Monarchie, wieder in Empfang nehmen und zahlte Goldpreis zurück, den die Reichsbank als Entschädigung überwiesen hatte. Nicht auszudenken, wenn die einzigartigen Museumsstücke wie ordinäre Zehn- und Zwanzig-Mark-Münzen eingeschmolzen worden wären! Da man in der Reichsbank erkannt hatte, dass unter den von der Bevölkerung und Sammlungen aller Art eingelieferten Münzen manche numismatische Kostbarkeiten sind, hat man nach ihnen Ausschau gehalten. Die mit vielen Raritäten bestückte Geldsammlung der Deutschen Bundesbank in Frankfurt am Main, vormals Reichsbank, führt ihre Anfänge auch auf die damals kriegsbedingte Sammeltätigkeit zurück.
Das tödliche Attentat serbischer Nationalisten am 28. Juni 1914 auf den habsburgischen Thronfolger Erzherzog Franz Ferdinand und seine Gemahlin Sophie in Sarajewo hatte sich binnen weniger Tage zum Ersten Weltkrieg ausgeweitet. Alle Kriegsparteien waren an einem militärischen Schlagabtausch interessiert, nur konnte sich niemand vorstellen, wie grausam und mit welchen schrecklichen Verlusten an Blut und Gut er verlaufen würde und dass an seinem Ende in Europa vieles anders aussehen wird als bei seinem Beginn. Während im Deutschen Reich auf die Produktion von Goldmünzen zurückging und die Zehn- und Zwanzigmarkstücke von 1914 und 1915 bis auf geringe Ausnahmen nicht mehr zur Ausgabe gelangten, wurde die Bevölkerung in der Presse aufgefordert, ihre Zwanzig-, Zehn- und wo es sie noch gab Fünfmarkstücke aus Gold zum Nennwert gegen Papiergeld einzuwechseln. Mit Blick auf einen bewaffneten Konflikt waren bereits im Juli 1914 Goldmünzen für über hundert Millionen Mark eingezogen und durch Papiergeld ersetzt worden. Zur Belohnung für die Ablieferung bekam man Eisenmedaillen mit der Aufschrift "Gold gab ich zur Wehr / Eisen nahm ich zur Ehr" und konnte sich auch eiserne Ringe an den Finger stecken.
Groschen bis 1922 mit Kaiseradler
Außer den Goldmünzen wurden nach und nach Silbermünzen eingezogen und, zunächst kaum spürbar für die Bevölkerung, durch Papiergeld ersetzt. Lediglich hat man die silbernen Fünfzigpfennigstücke mit dem Kaiseradler auf der Rückseite noch bis 1919, also über das Ende der Monarchie im Ergebnis der Novemberrevolution 1918 hinaus geprägt. Es gibt sogar noch mit der Jahreszahl 1922 versehene Zehnpfennigstücke, die ebenfalls mit dem schon lange überholten Adler aus der Kaiserzeit geschmückt sind. Ungeachtet der Silberknappheit war es zwischen 1915 und 1918 möglich, Gedenkmünzen im Wert von drei Mark zu prägen, wenn auch nicht mehr in den gewünschten Mengen, sondern in winziger Stückzahl. Herausragend erhaltene Beispiele für diesen Anachronismus erzielen im Münzhandel hohe Preise.
Unverkennbar war während des Ersten Weltkriegs in dem weitgehend von ausländischen Lieferanten abgeschnittenen deutschen Kaiserreich die große Not an Edelmetallen. Außer für die Münzprägung und Schmuckherstellung wurde Silber nach einer Stellungnahme des Reichschatzamtes in beträchtlichen Mengen für Kriegshandlungen und andere Zahlungen im Ausland benötigt. "Für die Türkei haben bis jetzt 20 000 kg Feinsilber, für die Kämpfe in Persien 70 380 kg Feinsilber bereitgestellt werden müssen, da in diesen Kriegsgebieten papierne Geldzeichen entweder überhaupt nicht oder nur mit einem starken Disaigio genommen werden. Auch für die Besoldung der eigenen Beamten der gesandtschaftlichen Vertretungen und konsularischen Missionen in der Türkei [die an der Seite des Deutschen Reichs kämpfte, H. C.] war Silber verfügbar zu machen", stellte der Berichterstatter fest und fügte hinzu: "Für die Türkei stehen weitere hohe Ansprüche von Hartgeld bevor, das zu einem wesentlichen Teile in Silber zu beschaffen sein wird".
Rücksicht auf die Schmuckindustrie
Selbstverständlich legte nicht nur die Finanzverwaltung ihre Hand auf das begehrte Silber, auch die Kriegswirtschaft benötigte davon große Mengen. In diesem Zusammenhang wurden Gasmasken sowie pharmazeutische und photographische Zwecke erwähnt, "die namentlich für die Luftschiffahrt von der größten Bedeutung sind. Auch die Herstellung der Eisernen Kreuze nimmt viel Silber weg, so daß bereits eine andere Legierung des Silbers zur Ersparung des Silbers erwogen werden muß". Auf die Silberindustrie, gemeint war wohl Schmuckindustrie, musste ebenfalls Rücksicht genommen werden, weil deren Erzeugnisse im Ausland "zu hohen Preisen" abgesetzt werden konnten, und man keine Entlassungen vornehmen wollte.
Silber wurde nach und nach zu einem teuren Material und verlor seine Bedeutung als Münzmaterial. Sein Preis stieg von 75 bis 80 Mark pro Kilogramm zu Kriegsbeginn auf 175 Mark und mehr Mitte 1917 an. Das alles hatte zur Folge, dass Silbermünzen offiziell und auch ohne Genehmigung zum Zwecke der Silbergewinnung eingeschmolzen wurden. "Unter diesen Umständen glaubt die Finanzverwaltung es nicht verantworten zu können, Silber für eine Verwendung zur Verfügung zu stellen, bei der es irgend welchen wirtschaftlichen Nutzen nicht haben kann", heißt es in der Vorlage mit Blick auf die vom Königreich Sachsen beantragte Reformationsmünze von 1917. "Die Denkmünzen würden nicht dem Verkehr dienen, da sie als Andenken aufgehoben werden. Dies muß auch gelten, wenn die Prägemenge erheblich herabgesetzt würde. Jedes Kilogramm Feinsilber ist heute wichtig. Außerdem würde der Zweck der Denkmünzprägung bei einer so geringen Prägemenge völlig verfehlt". Die Finanzveraltung könne sich mit einer "aufgeschobenen Prägung" nicht einverstanden erklären, "einmal weil die spätere Prägung gerade vom Standpunkt der Reformationsfeier nicht die ihr beigelegte Bedeutung haben könnte, sodann aber wohl nicht abzusehen ist, wann auf dem Silbermarkte einigermaßen normale Verhältnisse wiederkehren werden. Es ist im Gegenteil damit zu rechnen, daß wir uns längere Zeit nach dem Kriege den Luxus von Denkmünzen nicht gestatten werden können".
1. September 2021
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