Den Refugiés Freundschaft und Hilfe
Turm des Französischen Doms auf dem Gendarmenmarkt nach dreieinhalb Jahren saniert / Hugenottenmuseum ist bald wieder zugänglich







Die 1705 eingeweihte Französische Kirche auf dem Gendarmenmarkt erhielt zeitgleich mit der Deutschen Kirche unter Friedrich II. zwei monumentale Kuppeltürme, die man auch Dom nannte, in der Mitte eine Ansicht aus dem frühen 19. Jahrhundert. Der umfassend sanierte und innen neu gestaltete Französische Dom samt Aussichtsplattform kann erst eröffnet, wenn es die Corona-Pandemie zu lässt. Von der Balustrade in 40 Metern Höhe hat man dann auch einen spektakulären Blick auf den Gendarmenmarkt und ganz Berlin.



Der aus einer Hugenottenfamilie stammende Maler und Grafiker Daniel Chodowiecki schilderte auf seinen Radierungen die Ankunft der Hugenotten am brandenburgischen Hof.



Das Bronzerelief im Eingangsbereich des Hugenottenmuseums zeigt im Stil des 19. Jahrhunderts, wie die Hugenotten vom Großen Kurfürsten Friedrich Wilhelm von Brandenburg willkommen geheißen wird.



Heiligenfiguren schmücken die Französische Friedrichstadtkirche, so der offizielle Name des Französischen Doms, auf der Spitze des Kuppelturms stellt die triumphierende Religion ihren Fuß auf einen Totenschädel.



Die beiden an der Fassade befestigten Tafeln von 1935 und 1983 berichten aus der Geschichte der Hugenotten in Frankreich und vom Wiederaufbau 1978 bis 1983. (Fotos/Repros: Caspar)

Nach dreieinhalb Jahren Bauzeit ist die Sanierung des Turms der französischen Friedrichstadtkirche auf dem Gendarmenmarkt, auch Französischer Dom genannt, abgeschlossen. In den modernisierten Räumen verfügt das Hugenottenmuseum über neue, helle und größere Schau- und Veranstaltungsräume sowie Büroflächen. Die lange geschlossene Aussichtsplattform in rund 40 Metern Höhe, von der man einen wunderbaren Blick auf den Gendarmenmarkt und ganz Berlin hat, soll in den kommenden Wochen nach Aufhebung der pandemiebedingten Einschränkungen eröffnet werden.

Senatsbaudirektorin Regula Lüscher erklärte bei der Übergabe, der Abschluss der Turmsanierung sei ein wichtiger Schritt hin zur weiteren Aufwertung des Gendarmenmarkts. "Ich bin mir sicher, dass die vielfältigen Nutzungen im Turm wesentlich zur Lebendigkeit dieses geschichtsträchtigen Ortes beitragen. Vom Turm aus wird man eine prächtige Aussicht auf die tourismusnahe Umgestaltung des Platzes in den kommenden Jahren haben. Geplant ist die Erneuerung der Platzoberflächen und der technischen Anlagen, um sie besser als bisher für die Gastronomie und Kultur nutzen zu können." Die Grün Berlin GmbH habe die Bauherrenschaft für diese Arbeiten übernommen und werde voraussichtlich 2022 mit ihnen beginnen, fügte Lüscher hinzu. Ihr Haus setze sich dafür ein, dass die kulturelle Nutzung, Bespielung und Bewirtschaftung des Platzes zukünftig stärker als bisher kuratiert stattfinden kann. Bezirksstadtrat Carsten Spallek betonte, durch die umfassende Modernisierung sei das Dominnere neu strukturiert und gleichzeitig für die öffentliche Nutzung optimiert worden.

Denkmalgerechter Wiederaufbau

Der Französische Dom und der Deutsche Dom sowie das Konzerthaus in der Mitte waren im Zweiten Weltkrieg stark zerstört worden. Doch hat man im Unterschied zu anderen Bau- und Kunstdenkmalen in der geteilten Stadt die drei Zeugnisse aus dem 18. Jahrhundert nicht abgerissen, sondern nur für den späteren Wiederaufbau nach allen Regeln der Denkmalpflege gesichert. Bei der nun abgeschlossenen, 6,2 Millionen teuren Renovierung entstand ein zweiter Flucht- und Rettungsweg als wichtige Voraussetzung für die umfassende Nutzung der Innenräume. Die veraltete, noch aus der Zeit des Wiederaufbaus stammende Gebäudetechnik wurde erneuert. Außerdem hat man die Zugänge so gestaltet, dass sie bis zur fünften Ebene barrierefrei erreichbar sind. Verschiedene Räume wurden neu aufgeteilt und alle Oberflächen im Innern des Turms denkmalgerecht saniert. Das sieben Meter hohe Erdgeschoss erhielt eine neue Zwischenebene, die die kleinen Räume des Hugenottenmuseums neu strukturiert und einen Rundgang erlaubt. Schließlich wurde die unterirdische Verbindung zwischen Turm und Dom reaktiviert, so dass beide Gebäudeteile wieder eine räumliche Einheit bilden.

Neu geschaffene Galerien und eine moderne Lichttechnik bringen die Exponate des lange ein wenig angestaubt wirkenden Hugenottenmuseums besser als bisher zur Geltung. Ein modernes Ausstellungskonzept schildert anhand von Dokumenten, Bildern und anderen Hinterlassenschaften die wechselvolle Geschichte der 1685 auf Einladung des Großen Kurfürsten Friedrich Wilhelm aus Frankreich nach Brandenburg gelangten Glaubensflüchtlinge. Der Landesherr war an fleißigen, gut ausgebildeten und vermögenden Zuwandern interessiert, um sein vom Dreißigjährigen Krieg geschwächtes, ausgeblutetes und an vielen Orten menschenleeres Land wieder auf die Beine zu stellen. So wurden Niederländern, Franzosen und Zuwanderern aus Böhmen besondere Vergünstigungen und Steuerfreiheit gewährt. Man rechnet mit bis zu 20 000 französischen Glaubensflüchtlingen, die unter der Regentschaft des Großen Kurfürsten beziehungsweise nach seinem Tod 1688 seines Sohns Friedrich III. (ab 1701 König Friedrich I. in Preußen) aufgenommen wurden. Die Handwerker und Bauern, Kaufleute, Künstler, Wissenschaftler, Soldaten und anderen Flüchtlinge reformierten Glaubens hatten ihr Land verlassen müssen, weil der französische Sonnenkönig Ludwig XIV. sie zwingen wollte, in den Schoß der katholischen Kirche zurückzukehren. Wer sich weigerte, war vogelfrei und hatte mit schlimmer Verfolgung zu rechnen.

Edikt von Potsdam lud Glaubensflüchtlinge ein

Das berühmte "Edikt von Potsdam", dessen Entstehen und Wirkung in der Ausstellung anhand von historischen Drucken, Stichen und Erzählungen ausführlich geschildert wird, versprach den aus Frankreich vertriebenen Hugenotten sichere, freie und freundschaftliche Aufnahme im Reich der Hohenzollern. Die erfolgreiche Ansiedlungspolitik wurde bis ins 18. Jahrhundert hinein fortgeführt. So ließ Friedrich II. Mitte des 18. Jahrhunderts Handwerker und Landwirte aus Böhmen und anderen von den katholischen Habsburgern beherrschten Ländern anwerben und stattete sie mit vielfältigen Privilegien in der Erwartung aus, mit ihrer Hilfe Bevölkerungsverluste und wirtschaftliche Folgen seiner vielen Kriege ausgleichen zu können.

Größter Auftrag- und Arbeitgeber der weitgehend autonom in "Kolonien" lebenden französischen Kaufleute, Manufakturbesitzer, Soldaten, Künstler, Gelehrten sowie Lehrer, Musiker und Dienstboten waren der kurfürstliche, ab 1701 königliche Hof und die Armee. In Berlin, dem wichtigsten Siedlungszentrum der Hugenotten, fanden sie Arbeit und Brot, hier wurden ihnen zu günstigen Bedingungen Grundstücke und Materialien für den Hausbau und die Einrichtung von Manufakturen zur Verfügung gestellt. Das aber hat die Alteingesessenen wenig erfreut, die nicht in den Genuss solcher Vergünstigungen kamen. Um 1700 machte die französische Kolonie bereits ein Fünftel der Berliner Einwohnerschaft aus. Sie besaß eine eigene Verwaltung und Gerichtsbarkeit, dazu Kirchen, Schulen und Hospitäler. Bedürftigen Landsleuten, die man auch "verschämte Arme" nannte, wurden durch eigene, selbst noch im 20. Jahrhundert tätige Sozialsysteme über Wasser gehalten.

Ausstellung würdigt Leistungen in Politik, Kultur und Wirtschaft

Bevorzugte Wohnorte der Refugiés waren die kurfürstlichen Neugründungen Dorotheenstadt und Friedrichstadt sowie wegen der kurzen Wege auch die Gegend um das Stadtschloss, das als Humboldt Forum seine Wiedergeburt erlebte. Direkten Zugang zur Herrscherfamilie hatten hugenottische Beamte und Militärs sowie Diplomaten, Lehrer, Erzieher, Künstler und Gelehrte. Sie prägten als Erzieher und Berater das Leben und die Weltsicht der Spitzen des Staates und Kultur bis ins 19. Jahrhundert hinein, und sie finden sich denn auch in der Ausstellung auf zahlreichen Porträts und Historiendarstellungen wieder.

Zwanzig Jahre nach dem Erlass des Edikts von Potsdam von 1685 konnte die 6000 Mitglieder umfassende Französische Gemeinde zu Berlin am 1. März 1705 ihre eigene Kirche feierlich eröffnen. Schlicht war das Gotteshaus am Gendarmenmarkt gestaltet, gebaut nach den strengen Regeln der Reformierten ohne Bilder und Skulpturen. Als die Französische Friedrichstadtkirche am 1. März 1705 mit einem Gottesdienst eingeweiht wurde, erschienen Preußens König Friedrich I. und sein Hofstaat in Trauerkleidung. Gut einen Monat zuvor war die Gemahlin des Monarchen, Königin Sophie Charlotte, gestorben, und in Sachen Hoftrauer war man sehr penibel. Der Turm mit einer vergoldeten, in den 1980er Jahren nach alten Vorlagen neu geschaffenen Kuppelfigur der siegreichen Religion obenauf stammt aus der Zeit Friedrichs des Großen, der mit den Anbauten den etwas kleinstädtisch wirkenden Gendarmenmarkt architektonisch aufwertete. Mit ihm und dem in der gleichen spätbarocken Form errichteten Turm der Deutschen Kirche, genannt Deutscher Dom, verlieh der Monarch dem Gendarmenmarkt die ihm eigene repräsentative Gestalt.

Touristenmagnet erster Klasse

Im Zweiten Weltkrieg wurde das aus den beiden Kirchen und dem Schauspielhaus bestehende Bauensemble auf dem Gendarmenmarkt ähnlich wie das Schloss, etliche Kirchen sowie andere Bau- und Kunstdenkmale in der Innenstadt durch Bombenangriffe schwer getroffen. Zum Glück wurden die Bauten vom Gendarmenmarkt nicht abgerissen, sondern überstanden als Ruinen und Mahnmale bis in die 1970-er Jahre die Zeiten. Im Zusammenhang mit Berlins Siebenhundertfünfzigjahrfeier 1987 wurden die drei Bauwerke in altem Stil, doch zum Teil neuem Innenleben wieder aufgebaut, womit der Gendarmenmarkt zu neuem Leben erweckt wurde. Seitdem spielt der Platz mit dem Schillerdenkmal in der Mitte als Kulturstandort eine große Rolle und ist ein Touristenmagnet der ersten Klasse. In der Weihnachtszeit findet hier ein besonders schön gestalteter Weihnachtsmarkt statt.

Der Gendarmenmarkt wird zu den schönsten Plätzen Deutschlands, wenn nicht gar Europas gezählt, und er ist einer mit vielen verwirrenden Namen dazu. In DDR-Zeiten hieß die Fläche zwischen dem Deutschen und dem Französischen Dom wegen der in der Nähe befindlichen Akademie der Wissenschaften Platz der Akademie. Doch schon bald nach der Wiedervereinigung 1990 erhielt er seinen seit dem späten 18. Jahrhundert gebräuchlichen Namen Gendarmenmarkt nach dem Regiment Gens d'armes zurück, das hier als königliche Leibwache stationiert war. Auf Karten des 17. und 18. Jahrhunderts findet man kaum noch bekannte Bezeichnungen wie Lindenmarkt, Mittelmarkt und Neuer Markt. Nachdem 1871 das Schillerdenkmal vor dem Schauspielhaus, dem heutigen Konzerthaus, aufgestellt war, kam ein weiterer Name hinzu: Schillerplatz. Diese Bezeichnung galt allerdings nur für das unmittelbare Umfeld des Marmormonuments und hat sich nicht eingebürgert.

Wenn hoffentlich recht bald das Hugenottenmuseum eröffnet wird, gibt es am Gendarmenmarkt zwei Museen, denn im Deutschen Dom gegenüber lädt eine hochinteressante Ausstellung des Deutschen Bundestags zur Begegnung mit der wechselvollen Geschichte des Parlamentarismus in Deutschland seit dem 19. Jahrhundert ein. Die Um- und Neugestaltung des Platzes richtet sich nach den Vorgaben aus DDR-Zeiten, strebt aber eine Modernisierung der ganzen Technik sowie der Ver- und Entsorgung, die bei einem Stadtraum von dieser Prominenz und Anziehungskraft nun einmal nötig ist. Davon wird bei passender Gelegenheit zu berichten sein.

30. Juni 2021

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