„Die Beine der Hohenzollern“

von Helmut Caspar über ein Stück Berliner Denkmal-
und Schulgeschichte der Kaiserzeit

Vor über einhundert Jahren kam ein Lehrer des renommierten Joachimsthalschen Gymnasiums in Wilmersdorf bei Berlin, Professor Dr. Otto Schroeder, auf die ungewöhnliche Idee, seine Schüler einen Hausaufsatz über „Die Beinstellung der Denkmäler in der Siegesallee“ schreiben zu lassen. Die Niederschriften gelangten unter die Augen Kaiser Wilhelms II., des Stifters der mit Standbildern brandenburgischer und preußischer Herrscher geschmückten Ruhmesstraße im Berliner Tiergarten. „Denkmalwilly“ las die Pennälergedanken mit Wohlgefallen, zensierte sie noch einmal und versah sie mit Randbemerkungen, als ob es sich um wichtige Staatspapiere handeln würde. Hofbeamte ließen von den Aufsätzen Faksimiles anfertigen und dem Hohenzollern-Museum in Berlin zur sicheren Aufbewahrung überwiesen, hoffend, dass die „Angelegenheit“ nach Jahrzehnten milder beurteilt wird.

Am Joachimsthalschen Gymnasium, dessen 400. Gründungstag 2007 begangen wird, wurden die von des Monarchen Hand veredelten Hefte wie Reliquien archiviert. Indem Helmut Caspar die Schüleraufsätze von 1901 in seinem neuen Buch „Die Beine der Hohenzollern - Was Primaner des Joachimsthalschen Gymnasiums über die Siegesallee schrieben und was Wilhelm II. von den Aufsätzen hielt“ abdruckt und kommentiert, bringt er nicht nur ein Stück Berliner Schul- und Denkmalgeschichte in Erinnerung, sondern ruft auch dazu auf, die vom Zweiten Weltkrieg verschonten Reste der Berliner Siegesallee und die vielen anderen ehemals unter freiem Himmel aufgestellten Skulpturen in einem noch zu schaffenden Museum für solche steinernen Reste ordnungsgemäß aufzustellen und ihrem künstlerischen und kulturgeschichtlichen Wert angemessen zu präsentieren.

Das Buch lädt ein zu einem Spaziergang durch das kaiserzeitliche Berlin und macht mit der Geschichte des Joachimsthalschen Gymnasiums bekannt, dessen ehemaliges Schulgebäude in Wilmersdorf noch steht. Es geht auf das wenig freundliche Echo ein, die die als marmorne Ahnengalerie angelegte Siegesallee in der Kaiserzeit fand. Zugleich erinnert der Autor an den 1953 vom allmächtigen SED-Chef Walter Ulbricht geschassten Spitzenfunktionär Rudolf Herrnstadt, der die Schüleraufsätze erstmals im Jahr 1960 in der Hoffnung ediert hat, sich mit seinen bösartigen Kommentaren bei seinen ehemaligen Genossen lieb Kind zu machen.

Erschienen ist das Taschenbuch im Verlag Berlin Story 2007. Es hat 215 Seiten, ist reich illustriert und kostet 16,80 Euro. Weitere Informationen im Internet unter www.berlinstory.de und telefonisch unter 030/20453842.