Uniformierte Helfer übten sich im Klassenkampf - Am Ende ihrer Herrschaft traute die SED-Führung nicht einmal ihren Kampfgruppen über den Weg




Die Kampfgruppen beriefen sich nach eigenem Bekunden auf die besten Traditionen der deutschen Arbeiterbewegung und warben damit auch für den Eintritt in die paramilitärische Truppe der SED. (Foto: Caspar)

Die Kampfgruppen waren eine paramilitärische Truppe der SED an der Seite der Nationalen Volksarmee und der Volkspolizei, die nach eigenen Angaben im Geiste der revolutionären Matrosen und Soldaten von 1918 und der Freiheitskämpfer im Spanischen Bürgerkrieg 1936 bis 1939 für die Verteidigung des sozialistischen Vaterlandes einsteht. Im zweiten Halbjahr 1952 formiert, bestanden die Kampfgruppen in der Regel aus Mitgliedern der SED im Alter ab 25 Jahre. Ihre Angehörigen trugen Uniform, rückten zu regelmäßigen Übungen meist am Wochenende aus und bedienten sich einer militärischen Kommandosprache. Mit einem feierlichen Gelöbnis wurden die Genossen Kämpfer, so die offizielle Anrede, auf die SED und den Arbeiter-und-Bauern-Staat eingeschworen. „Ich bin bereit, als Kämpfer der Arbeiterklasse die Weisungen der Partei zu erfüllen, die Deutsche Demokratische Republik, ihre sozialistischen Errungenschaften jederzeit mit der Waffe in der Hand zu schützen und mein Leben für sie einzusetzen“, lautete das Gelöbnis.

Die SED versprach sich von den Betriebskampfgruppen, die von strammen Genossen und oft von Offizieren außer Dienst geführt wurden, eine Stärkung ihrer Stellung im Staat und hofierte die Kämpfer als unverzichtbare Helfer im Klassenkampf und der Abwehr imperialistischer Anschläge. Indem Arbeiter und Angestellte vor allem großer Betriebe auf die SED eingeschworen wurden, sollten sie gegenüber Kritik an der Führung, aber auch Einflüsterungen des Klassengegners immun gemacht werden, was aber nur bedingt gelang. Als Anerkennung für den unbezahlten Dienst winkte den Angehörigen der Kampfgruppen ab einer fünfundzwanzigjährigen Zugehörigkeit ein Zuschlag zur Altersrente von monatlich 100 Mark. Bewaffnet waren die Einheiten mit Pistolen, Gewehren, Maschinenpistolen und weiterem Gerät meist sowjetischer Herkunft, was regelmäßige Schieß- und Geländeübungen stets am Wochenende erforderlich machte.

Der Abteilung Sicherheit des Zentralkomitees der SED unterstellt, gehörten 1980 den Kampfgruppen etwa 78 500 Personen bei den motorisierten Kampfkräften und etwa 106 500 Personen bei den Sicherungskräften an. Zuzüglich einer Reserve konnte die SED-Führung über etwa 210 000 Kämpfer verfügen. Ihre Existenz war für die Staats- und Parteiführung so wichtig, dass sie 1983 eine Zehn-Mark-Münze prägen ließ, auf der ein Soldat und ein Genosse Kämpfer dargestellt sind. Sie erinnert indirekt daran, dass Kampfgruppenangehörige am 13. August 1961 und danach bei der Sicherung der Berliner Mauer und der Staatsgrenze West mitgewirkt haben.

Die Existenz der Kampfgruppen und all der anderen Schutz- und Sicherheitsorgane konnte die Erosion des Arbeiter-und-Bauern-Staates im Sommer und Herbst 1989 nicht aufhalten. Viele Mitglieder der paramilitärischen Einheit waren mit dem Kurs von Honecker und seinen Genossen nicht mehr einverstanden, den Ruf aus der Bevölkerung nach freien Wahlen, Reisefreiheit, Abschaffung der Einparteienherrschaft und Aufklärung über die prekäre wirtschaftliche Lage mit Beschönigung und mit Schweigen zu übergehen. So konnte sich die SED-Führung der ihr unterstellten Kampfgruppen nicht mehr sicher sein und hielt sie aus dem dramatischen Geschehen heraus.

Nach dem Sturz von Erich Honecker als SED-Generalsekretär und Staatsratsvorsitzender am 18. Oktober 1989 und dem Amtsantritt seines Nachfolgers Egon Krenz haben Kampfgruppenangehörige ihre Waffen unbrauchbar gemacht und ihre Uniformen abgegeben. Am Ende konnte die SED nur noch den Einsatzkräften des Ministeriums für Staatssicherheit trauen. Ihnen wurde allerdings verboten, bei Demonstrationen zurückzuschießen. Bald schon verloren die Treuesten aller Treuen ihren Schrecken und schlugen sich in die Büsche, nicht ohne brisante Akten zu vernichten. Da das nur partiell gelang, ist man heute in der Lage, sehr genaue Aussagen über die Machenschaften des DDR-Geheimdienstes zu treffen, der sich in seinen besten Zeiten „Schild und Schwert“ der Partei nannte.

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